Eine Welt schwankt zwischen Krieg und Pleite

Der G-20-Gipfel in St. Petersburg kommt zu einer Zeit zusammen, da die Lage der Welt fragiler kaum sein könnte. Schwäche und Unsicherheit allerorten, bei wachsenden Problemen. Das verheißt nichts Gutes.

 

What if they don´t obey ?” – Was, wenn sie nicht tun, was man von ihnen erwartet (verlangt)? Das ist die Frage der Woche, auch wenn diese gerade erst begonnen hat.

So will Barack Obama den US-Kongress fragen, ob dieser einem Angriff auf militärische Einrichtungen des Regimes in Syrien zustimmt. Erwartet wird in diesem Fall vom Weißen Haus ein JA. Aber dies wäre, so wie sich das abzeichnet, auf äußerst fragwürdige „Beweise“ gestützt.

Kommt ein JA der US-Abgeordneten, ist es umstritten und wenig überzeugend. Kommt jedoch ein NEIN, steht Obama vor einem Scherbenhaufen. Dort steht er eigentlich schon länger. Aber der Haufen würde noch einmal deutlich wachsen.

Wohnhäuser als Ladenhüter

Und ganz unabhängig vom Ergebnis des Votums, das für nächste Woche erwartet wird: Der enorm knappe Fahrplan für die Verhandlungen zum Schuldenlimit gerät auf jeden Fall durcheinander. Das Repräsentantenhaus hat nach seiner Rückkehr aus der Sommerpause ab dem 9. September lediglich neun Sitzungstage veranschlagt, um die drohende (teilweise) Zahlungsunfähigkeit der Regierung abzuwenden.

Jetzt wird alles noch knapper, weil zuerst über Syrien debattiert wird. Die Abstimmung im US-Parlament lautet bei näherem Hinsehen also nicht „Krieg oder Frieden“, sondern „Krieg oder Pleite“.

Bei CNN Money beschäftigen sich Redakteure derweil mit der Vorbereitung der Notenbanken für den Fall, dass die „Märkte“ nicht gehorchen. Auf der Webseite wird gerätselt, ob es die Fed kalt lassen wird, dass die Verkäufe neuer Wohnhäuser in den USA im Juli um 13,4 Prozent zurückgingen, und dass die Verkaufszahl für den Juni nachträglich deutlich nach unten korrigiert werden musste, von 497.000 auf 455.000 Häuser.

Treibriemen durchgeleiert

Wie oft haben uns Analysten in den vergangenen Monaten beteuert, dass steigende Zinsen dem Immobilienmarkt nicht das Dach vom Fundament reißen, dass eine so solide Erholung fest auf den Gleisen steht. Und jetzt ? Können die Notenbanker unbekümmert den Fuß vom Gaspedal nehmen, wenn der einzig überzeugende Treibriemen der US-Konjunktur so durchgeleiert ist ?

Und was, wenn die Börsen im September nicht mitmachen ? Bei CNBC fragt man sich besorgt, ob der jetzt anbrechende Monat noch schlimmer für die Wall Street wird als der enttäuschende August. Der war, was das Abschneiden des S&P 500 angeht, der schlechteste Monat seit über einem Jahr.

Bange Fragen

Auch hier steht wieder die bange Frage im Raum: Was, wenn nicht passiert, was wir erwarten? Was, wenn im Falle Syrien die Sicherungen durchbrennen, wenn es erneut ein lähmendes Ringen zwischen Kongress und Präsident über das Schuldenlimit gibt, und wenn die Krise in der Eurozone doch wieder eskaliert ?

Im Reuters-Blog veröffentlicht man vorsichtshalber schon mal einen “Führer durch die finanzielle Wirbelsturm-Saison.” Gemeint ist selbstverständlich der September.

Und noch eine bange Frage:

Was, wenn die BRICS, die sich informell am Rande des G20-Gipfels in St. Petersburg versammeln, nicht den Indern helfen ? Die wollen, dass der neue Block der auftseigenden Schwellenländer gemeinsam seine finanziellen Muskeln spielen lässt und kollektiv gegen die Schwindsucht der indischen Rupie einschreitet.

Verheerender Saugeffekt

Wozu raufen sie sich durch? „Shock and Awe?“ gegen die Wechselkurs-Krise und die Kapitalflucht aus dem Sub-Kontinent? Oder nur Blabla und Unverbindliches, was die Finanzgeier aufsteigen und das neueste Ziel Indien ansteuern lässt ? Von Brasilien über Indien, bis hin nach Russland, der Türkei und China stemmen sich Regierungen dieser Tage gegen den verheerenden Saugeffekt, der von der geplanten Schubumkehr der Fed ausgeht.

„Innerhalb von Tagen, nicht Wochen“, verspricht ein indisches Delegationsmitglied in St. Petersburg Abhilfe. Sollte die nicht kommen, droht eine Verschärfung der ohnehin prekären Lage in Indien.

Dilemma der FED

Und noch etwas: Werfen die BRICS beherzt gemeinsam westliche Staastanleihen auf den Markt, um sich Dollars für eine Stützung der eigenen Währungen zu besorgen, schießen in Europa und den USA die Zinsen noch weiter hoch. Wird Indien stabilisiert, wackeln die Anleihemärkte. Verschärft sich die Situation in Indien, ziehen die BRICS eventuell die Weltwirtschaft nach unten.

Das ist das schlimme Dilemma, das die Fed angerichtet hat. Aber sie will bislang ja davon nichts wissen. Der Punkt ist: Entweder die Lage in den Schwellenländern, oder die steigenden Zinsen im Westen, werden so schmerzhaft, dass die Vollgas-Geldpolitik eilig fortgesetzt wird, dass die Geldhüter ihre angekündigte Schubumkehr abblasen – so wie Obama und die Briten den Angriff auf Syrien.

Schwäche und Unsicherheit allerorten, bei wachsenden Problemen. Das verheißt nichts Gutes.

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Über Markus Gaertner

Markus Gaertner war über viele Jahre freier Wirtschafts-Korrespondent mit Sitz in Vancouver. Heute arbeitet er für den Kopp-Verlag. Weitere Artikel

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