Die schleichende Enteignung und Verarmung der Rentner

Das Thema wird von den Mainstream-Medien im Allgemeinen ausgeblendet. Aber es gibt auch Ausnahmen, schreibt GEOLITICO-Autor GRINARIO im zweiten Teil seines Medien-Lobes.

Im ersten Teil meines Mainstream-Lobs hatte ich zwei ungewöhnlich kritische Artikel zur Euro-Rettung behandelt, die am 11. Und 12. Juni 2013 im Focus-Online erschienen sind. Als Leitlinien meines Lobs hatte ich die Theorie des „positiven Verstärkens“ genannt:

„Eine positive Verstärkung ist in der Lernpsychologie die Zunahme der Häufigkeit eines Verhaltens, wenn positive Reize wie Essen dargeboten werden. Ein positiver Verstärker ist demnach jeder Reiz, der, wenn er dargeboten wird, die Reaktion bekräftigt und dadurch häufiger macht.“

Natürlich kann man mir entgegen halten, dass kein Journalist, der fest in der Euro-Ideologie verwurzelt ist, auch nur müde mit den Augenbrauen runzelt und sich in irgendeiner Weise von irgendwelchen „Blog-Fuzzies“, die ihn kräftig loben, beeinflussen lässt. Aber vielleicht gibt es einige, die am Kippen sind und eventuell doch animiert werden, sich kritischer zu äußern. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Deshalb fahre ich jetzt fort mit meinem Lob des Mainstreams.

Auswirkungen der Niedrigzinspolitik

Neben den beiden schon behandelten Beiträgen gab es im Monat Juni (am 20.6.2013) im Focus Online eine Darstellung zu den Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der EZB auf die Altersvorsorge, die an Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig lässt. Ein großes Lob zum dritten deshalb für diesen aufschlussreichen Artikel der Focus-Money-Redakteure Hassmann, Müller und Wolf.

Schon der Einstieg in den Artikel lässt den kritischen Leser aufhorchen:

„Heimlich, still und leise bahnt sich eine Katastrophe an. Die Bürger verlieren ihr Kapital, ihre Altersvorsorge löst sich in Luft auf. FOCUS MONEY rechnete nach, wie die Niedrigzinspolitik der Zentralbank die Deutschen in die Armutsfalle treibt.“

Das klingt in der offiziellen Politik und im Hauptstrom der Medien sonst ganz anders. Da ist alles Sonnenschein und den Rentner droht niemals Ungemach. Und während sich die deutsche Politik vor allem mit Themen wie z. B. Drohnen-Desaster oder Frauenquote beschäftigt, fällt dieses brennend wichtige Thema unter den Tisch:

„Was uns wirklich droht, haben weder die Menschen in unserem Land noch die Politiker erkannt: In spätestens 30 Jahren sind wir alle arm!“

Zurzeit wird zwar anlässlich von Äußerungen des amerikanischen Notenbankchefs Ben Bernanke darüber spekuliert, ob sich nun die große Zinswende im Weltfinanzsystem ereignen wird. Fakt ist aber, dass die USA einen Anstieg ihrer Anleihezinsen nur schwer verkraften würden. Was die Bernanke-Äußerungen wert sind, wird sich noch zeigen. Für Euro-Europa hat Herr Draghi von der EZB auf jeden Fall angekündigt, dass die liquiditätsorientierte Politik weitergeführt wird.

Was der Bürger tun muss

Einer der wichtigsten und äußerst deprimierenden Aussagen des Focus-Artikels ist eher mitten im Text versteckt:

„So mag die gesetzliche Rente sicher sein, zum Leben reicht sie später aber sicher nicht. Immer weniger Beitragszahler müssen immer mehr Leistungsempfänger finanzieren – das klappt auf Dauer nur, wenn das Rentenniveau abgesenkt wird. Genau das geschieht seit Jahren kontinuierlich. Konnten Ruheständler 1985 noch fast 60 Prozent des durchschnittlichen Jahresgehalts vor Steuern als Rente beziehen, waren es zehn Jahre später nur noch 54 Prozent. 2010 lag die Rente sogar schon knapp unter 50 Prozent, für das Jahr 2020 sind nur noch 48 Prozent prognostiziert.

Nicht, dass die Rentenkürzung schon genug Last für die Bürger wäre, es kommen noch höhere Steuern dazu. Waren die Bezüge aus der gesetzlichen Altersrente einstmals weitgehend steuerfrei, wird das System seit 2005 schrittweise umgestellt.“

Die Bürger müssen sich im Grunde zusätzlich absichern und genau das haben ihnen die Politiker seit Ende der neunziger Jahre auch eingebläut. Gleichzeitig haben sie auch behauptet, dass der Euro so stabil wie die D-Mark sei und von einer Nullzinspolitik zur Rettung des Euro war natürlich noch keine Rede. Aber diese Nullzinspolitik der EZB wird nun verheerend für alle, die in irgendeiner Form etwas ansparen wollen: „Wenn mit Minizinsen ‚alternativlos‘ der Euro gerettet wird, muss einer die Zeche zahlen: der Sparer“. Denn um im Alter noch auskömmlich leben zu können und der nachfolgenden Generation nicht zur Last zu fallen, müsste ein entsprechendes Vermögen erspart werden, in welcher Form auch immer. Die Sparformen, die bei den Deutschen verbreitet sind, werden durch die Geldpolitik einer selbstherrlichen EZB aber gerade ad absurdum geführt:

„Lag der Leitzins 2001 noch bei 4,5 Prozent, senkten ihn die obersten Währungshüter kürzlich auf ein Rekordtief von 0,5 Prozent. Mit dramatischen Folgen für die Sparer: Eine heute 30-Jährige mit einem Einkommen von 3300 Euro pro Monat müsste 37 Jahre lang 570 Euro pro Monat zur Seite legen, um im Alter über die Runden zu kommen. Unmöglich! 60-Jährige können selbst mit einer halben Million auf der hohen Kante nicht mehr von ihren Rücklagen leben. Lasten für die nachkommende Generation!“

Das ist alles unrealistisch. Kaum jemand, so die Autoren im Focus-Artikel, könne sich monatlich bis zum Renteneintritt von 67 Jahren ca. 570 Euro abzwacken, um bei den heutigen Sparzinsen dann auf einen Betrag zu kommen, der eine auskömmliche Altersversorgung garantieren würde. Da gebe es schließlich noch Unkostenbeiträge für Miete, Lebensmittel, Kleidung, TV-Gebühren, Strom, Gas und Wasser aufzubringen.

Norbert Blüm liest die „BILD“-Zeitung / Bild: GEOLITICO

Das normale Leben halt und – so muss man hinzufügen – für Familien mit Kindern gibt es noch weitere Kosten, ein Ansparen in dieser Höhe ist absolut illusorisch. Realistischer würden die Szenarios werden, wenn der Zinsertrag höher wäre, z. B. 5,8 Prozent hätte. Das geht aber mit Festzinsanlagen heutzutage nicht mehr und andere Anlageformen sind absolut risikobehaftet.

Drohender Generationenkonflikt

Deutlicher kann man die Auswirkungen der Euro-Rettung auf jeden einzelnen Deutschen nicht mehr schildern. Würden nach den Wahlen Pläne der SPD umgesetzt, die Abgeltungssteuer von jetzt 25 auf 32 Prozent zu erhöhen, bliebe von den ersparten Beträgen noch weniger übrig. Der 30-Jährige mit dem Bruttoeinkommen von 3300 Euro (Netto 2000 Euro) müsste dann bei den heutigen Tiefstzinsen 584 Euro monatlich beiseite legen. Aber nicht nur die Jungen bekommen es zu spüren:

„Die Niedrigzinsen ruinieren aber nicht nur die Vorsorge der jungen Generation, sie zerstören auch das Vermögen der Alten. ‚Das extrem niedrige Zinsniveau wirkt wie ein Haircut auf Raten‘, erläutert Bert Flossbach, Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. Warf eine zehnjährige Bundesanleihe Anfang der 1990er-Jahre noch mehr als zehn Prozent Rendite ab und sogar zur Euro-Einführung 2002 noch fünf Prozent, sind es heute noch magere 1,5 Prozent. Der Traum, von ihren Erträgen im Alter auskömmlich leben zu können, zerplatzt für viele Sparer. Der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) sei Dank.“

Wenn die Alten aber kein Geld haben, müssen wohl oder übel die Jungen zahlen, der Gene-rationenkonflikt ist programmiert. Darüber hinaus wird die aktuelle Geldmengenpolitik fast aller großen Notenbanken auf Dauer für eine Inflation sorgen, die dann die Lebenshaltungs-kosten verteuert:

„Selbst wenn die aktuelle Teuerungsrate historisch niedrig ist und die Beispielfälle daher nur mit 1,5 Prozent Inflation berechnet sind, muss das keineswegs so bleiben. Irgendwann wird sich das Leben auch wieder stärker verteuern. Was aber passieren kann, wenn die Rate anzieht, zeigt untenstehende Tabelle. So sind 500.000 Euro bei 3,5 Prozent Inflation nach 20 Jahren nur noch die Hälfte wert. Nach 45 Jahren sogar nur noch rund ein Fünftel.“

Diesen Vorgang von Nullzinspolitik und Geldentwertung nennt man „kalte Enteignung“, aber bisher lockt das in Deutschland niemanden hinter dem Ofen hervor:

„Und niemand protestiert? Über was diskutiert die Republik? ‚Auslaufmodell Hausfrau‘, ‚Billigkleidung aus Bangladesch‘ und ‚Patientenfalle Krankenhaus‘ waren die Themen beim Sonntags-Talk von Günther Jauch. (…). Während in Spanien und Portugal Tausende gegen das Spardiktat protestieren, passiert auf Deutschlands Straßen nichts.“

In Zukunft ist – egal, was die Parteien jetzt vor der Wahl versprechen – mit höheren Steuern zu rechnen, nicht nur für die „Besserverdienenden“. Genauer gesagt: Otto Normalverbraucher wird sich plötzlich zu seinem großen Erstaunen bei dieser von der  Politik immer wieder genannten Gruppe von Bürgern befinden. Auf Deutschland kommt außerdem eine demographische Katstrophe zu, denn immer mehr Rentner sind von immer weniger Beitragszahlern zu finanzieren. Ohne Kürzungen bei den Renten und nicht nur bei den Renten der Besserverdienenden, wird es nicht gehen. Es gibt genügend Gründe, sich zusätzlich für das Alter abzusichern.

Diese recht eindeutige und eigentlich aufrüttelnde Analyse der künftigen Entwicklungen in unserer alternden Gesellschaft stand seit Ende Juni im Focus Online. Jeder, der auch nur ein bisschen über den Tellerrand seines Alltagslebens hinausblicken will, kann es lesen. Niemand kann später sagen, dass er es nicht habe erkennen oder wissen können.

Lirarisierung des Euro

Natürlich muss man sehen, dass die Journalisten auch deshalb diese ausnahmsweise sehr realistische Darstellung der Gründe für eine spürbare Entwertung unseres Geldes gebracht haben, um die Option, Aktien zur Absicherung des Alters zu kaufen, in einem helleren Licht erstrahlen zu lassen. Doch die Analyse als solche ist m. E. absolut richtig, die Geldpolitik der Notenbanken wird in einigen Jahren ihre Folgen haben, es wird zur Lirarisierung des Euro kommen. Dann werden allerdings die heute verantwortlichen Notenbanker und Politiker nicht mehr im Amt sein und ihre sicherlich nicht kleinen Ruhestandsgehälter genießen.

Kritisieren kann man, dass die Autoren des Artikels als angeblich sicheren Schutz vor der Geldentwertung vor allem Aktienwerte nennen. Ist der Zeitpunkt, gerade jetzt in Aktien einzusteigen, wirklich gut gewählt? Was ist mit den Warnungen vor einer liquiditätsgetriebenen Aktienhausse, die auch wieder zusammenbrechen kann? Ein Mensch, der Anfang 1929 seine Altersversorgung auf Aktienbesitz aufgebaut hat, musste nach dem Crash im gleichen Jahr, wenn er die Papiere nicht mit hohen Verlusten abgestoßen hatte, bis Anfang der fünfziger Jahre warten, bis diese wieder ihren Wert zum Einkaufspreis erreicht hatten. Dazwischen lag dann eine gewisse Durststrecke. Eventuell war er schon alt, aber die Aktien immer noch weit unter ihrem Einkaufspreis.

Nicht alle Eier in einen Korb

Und was ist mit dem alten Grundsatz, den schon die Fugger beachtet haben: „Man lege nicht alle Eier in einen Korb“? Es gibt noch andere Sachwert-Assets: Wohnimmobilien, Ackerland, Rohstoffe, Edelmetalle. Allerdings scheint sich auch auf dem deutschen Immobilienmarkt eine Blase entwickelt zu haben, und der Immobiliencrash in den USA hat uns überhaupt erst die Weltfinanzkrise beschert. Die Edelmetalle, die bisher glänzend abgeschnitten haben, sind furchtbar abgestürzt. Trotzdem ist der Ratschlag der Autoren m. E. etwas zu einseitig zu Gunsten der Aktien ausgefallen.

Aber gut, keine Rose ohne Dornen. Es sollte positiv verstärkt werden, und so wurde auch in diesem Beitrag der Mainstream einfach einmal gelobt.

Unser Newsletter – Ihr Beitrag zur politischen Kultur!

// require user tracking consent before processing data _paq.push(['requireConsent']); // OR require user cookie consent before storing and using any cookies _paq.push(['requireCookieConsent']); _paq.push(['trackPageView']); [...]
×