Lafontaine kontra AfD: Deutsche Billiglöhne zerstörten den Euro

Wie die AfD spricht sich der frühere Finanzminister und Linken-Chef Oskar Lafntaine für einen schrittweisen Übergang zu nationalen Währungen zunächst in den Südländern aus. Und doch wollen beide nicht dasselbe...

 

Oskar Lafontaine als Wahlkämpfer 2011 / Quelle: Wikipedia/James Steakley

Oskar Lafontaine als Wahlkämpfer 2011 / Quelle: Wikipedia/James Steakley

Oskar Lafontaine wendet sich vom Euro ab. Es sei sinnvoll, zum früheren Europäischen Währungssystem zurückzukehren, „das Auf- und Abwertungen nach gegenseitigen Absprachen“ ermöglichte, schreibt Lafontaine auf seiner Homepage. Beim Europäischen Währungssystem gab es zwischen 1979 und 1998 nationale Währungen und den ECU als gemeinsame Bezugsgröße. Lafontaine will also zurück zu nationalen Währungen und teilt damit auf den ersten Blick die Forderung der Alternative für Deutschland (AfD). Prompt begrüßte deren Chef Bernd Lucke Lafontaines Sinneswandel mit den Worten: „Lafontaine vertritt nun genau das Konzept, das die Alternative für Deutschland vorgeschlagen hat.“

Was Lucke sagt, stimmt allerdings nur bedingt. Tatsächlich spricht sich der frühere Bundesfinanzminister und Vorsitzende der Linkspartei wie die AfD für einen schrittweisen Übergang zu nationalen Währungen zunächst in den Südländern aus. „Der Übergang zu diesem System, das kontrollierte Auf- und Abwertungen wieder ermöglicht, sollte schrittweise erfolgen. In Griechenland und Zypern hätte man anfangen können“, schreibt Lafontaine. Dabei müssten die Erfahrungen mit der Währungsschlange und dem europäischen Währungssystem genutzt werden. In der Analyse der Ursachen, die zum Ungleichgewicht geführt haben, aber dürfte Lucke ihm kaum zustimmen.

Denn Lafontaine sagt klipp und klar, die Chancen der gemeinsamen Währung seien durch „das deutsche Lohndumping“ zunichte gemacht worden. Die Niedriglohnpolitik des vergangenen Jahrzehnts sei „von Anfang der Währungsunion an ein Verstoß gegen den Geist der Verträge“ gewesen. „Die einheitliche Währung hätte von Bestand sein können, wenn die beteiligten Staaten eine aufeinander abgestimmte produktivitätsorientierte Lohnpolitik verfolgt hätten“, so Lafontaine.

Für und wider höhere Löhne

Lucke hingegen hatte sich noch unmittelbar vor der Bundestagswahl 2005 für die von Lafontaine kritisierte und damals von ihm heftig bekämpfte Niedriglohnpolitik in Deutschland ausgesprochen. Im „Hamburger Appell“, den Lucke gemeinsam mit den Professoren Thomas Straubhaar und Michael Funke initiierte und den 243 Ökonomen unterstützten, hieß es, die wirtschaftliche Lage nötige Deutschland „zu äußerster Lohnzurückhaltung“. Wörtlich schrieben Lucke und seine Mitstreiter:

„Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird.“ Die Vorstellung, die Binnennachfrage über höhere Einkommen ankurbeln zu können, sei „falsch und gefährlich“.

Diese Aussagen widersprechen den Vorstellungen Lafontaines diametral. Er plädierte für eine Koordination der Löhne und Einkommen in ganz Europa. „Weil ich diese Lohnkoordination für möglich hielt, habe ich den 90er Jahren die Einführung des Euro befürwortet“, schreibt er nun. „Aber die Institutionen zur Koordinierung, wie vor allem der makroökonomische Dialog, sind von den Regierenden unterlaufen worden.“ Die Hoffnung, dass durch die Einführung des Euro auf allen Seiten ökonomische Vernunft erzwungen würde, habe getrogen. „Heute ist das System aus den Fugen.“

Zwar wollen er und die AfD es mit der Rückkehr zu nationalen Währungen wieder stabilisieren. Aber auch dabei unterscheidet sich ihre Herangehensweise grundlegend. „Der entscheidende Unterschied bei meinem Vorschlag ist, dass wir wieder zu einem geordneten, abgestimmten Prozess des Auf- und Abwertens kommen“, sagte Lafontaine der „Saarbrücker Zeitung“. Die „Alternative für Deutschland“wolle die Währungen hingegen weiter dem Markt überlassen. „Das geht immer schief“, so Lafontaine.

Inhaltliche Übereinstimmungen

Als einzige Fraktion im Bundestag stimmte die Linkspartei bisher konsequent gegen die Euro-Politik der Bundesregierung. Wortführer dieser Oppositionspolitik waren und sind in erster Linie Fraktionschef Gregor Gysi und Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht. Für eine Rückkehr zu nationalen Währungen aber hatte sich bislang kein Politiker der Linken ausgesprochen. Sie kritisierten, dass die von der Bundesregierung und der EU verordnete Austeritätspolitik die Länder Südeuropas kaputtspare.

Allerdings hatte Sahra Wagenknecht erst vor wenigen Tagen in einem n-tv-Interview inhaltliche Übereinstimmungen mit den Positionen der AfD zur Euro-Politik festgestellt. „Wie wir kritisieren sie die Europapolitik der Kanzlerin“, sagte Sahra Wagenknecht. „Da gibt es viele Überschneidungen.“ Wer die Gründer der AfD als Populisten abstempele, mache es sich zu leicht. Schließlich hätten sie in vielen Punkten recht. Mit diesen Aussagen vertrat Wagenknecht eine ganz andere Position als Parteichef Bernd Riexinger, der ausdrücklich vor der AfD „als gefährlichste Partei am rechten Rand“ warnte. Offensichtlich tut sich die Linke schwer mit der neuen D-Mark-Partei, mit der immerhin rund 30 Prozent der Linken-Anhänger sympathisieren.

Lafontaine könnte also auch deswegen auf den D-Mark-Kurs der AfD einschwenken, weil er potenzielle Wählerwanderungen zur AfD verhindern will. Sollte dies so sein, ist diese Taktik in seiner Partei jedenfalls noch nicht angekommen. Denn gleich mehrere Landespolitiker wiesen seinen Vorschlag zum Euro-Ausstieg zurück, obwohl sie seine Analyse teilen. „Aber ich würde deswegen nicht so weit gehen zu sagen, dass wir wieder unterschiedliche Währungen brauchen“, sagte der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich der Zeitung „Neues Deutschland“. Es gehe vielmehr darum, in Deutschland Lohn- und Steuerdumping zu beenden, um die Binnennachfrage zu stärken. Der hessische Linke-Chef Ulrich Wilken sagte: „Für mich steht fest, dass eine falsche Politik durch eine andere Währung nicht richtig wird. Das Problem liegt nicht in der gemeinsamen Währung, sondern in der Austeritätspolitik in den Krisenländern und der Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften.“

Allerdings sprach der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Rüdiger Sagel von „einem diskutablen  Vorschlag“ Lafontaines. Zwar sei auch er nicht der Meinung, dass eine Abschaffung des Euros die grundlegende Lösung in der Krisenpolitik wäre. Es sei jedoch richtig, das Währungssystem zu überprüfen. Bisher sei schließlich nur auf die Krisen reagiert worden, statt zu erörtern, welche Faktoren zur Krise geführt hätten und wie sie sozial gelöst werden könnten.

Geschrieben für Die Welt

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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