Zornige alte Männer und der drohende europäische Bürgerkrieg

Der Schaden ist längst angerichtet. Alle werden bezahlen müssen. Das wissen Arnulf Baring, Wilhelm Hankel und Hans-Olaf Henkel. Aber sie suchen immerhin nach einem Ausweg. Ein bloßes Zurück zur D-Mark ist für sie indes keine Lösung.

 

Es ist schon auffällig, die aktuelle und immer noch alternativlose Euro-Politik wird in Deutschland medienwirksam vor allem von älteren Professoren/Professorinnen und Ex-Managern angegriffen. Das mittlere und jüngere Alterssegment ist nicht so stark vertreten. Das ist nachvollziehbar, denn die Arbeitsbelastung des alltäglichen Berufs ist erheblich und der unsichtbare Konformitätsdruck des Establishments bezüglich Karrierechancen oder Forschungsaufträgen wird vorhanden sein.

Die in der Öffentlichkeit hervortretenden „Euro-Nörgler“ sind oft Leute, die zwar inhaltlich etwas zu sagen haben, deren Ausstieg aus Politik und Berufsleben aber entweder schon lange her ist oder die schon eine vollendete Karriere hinter sich haben und in gewissem Maße nicht mehr angreifbar sind. Auch die neue Euro-Protest-Partei AfD ist im Kern eine Gründung eher älterer, gut situierter Ökonomieprofessoren, was nicht per se negativ ist (manche Politiker haben den wirtschaftlichen Sachverstand dieser Partei schon zu spüren bekommen), aber doch bezeichnend für die politische Kultur in Deutschland.

Zorn ist laut Duden ein heftiger, leidenschaftlicher Unwille über etwas als Unrecht Empfundenes, dem eigenen Willen Zuwiderlaufendes. Die drei hier nun aufgeführten zornigen alten Männer geben schon seit Langem ihrem Unwillen gegenüber einer sich immer mehr verfahrenden Politik lautstark Ausdruck. In der letzten Woche haben sie, alle drei erklärte Gegner der Merkelschen Rettungsschirmpolitik, wieder einmal zugebissen, verbal zumindest.

Diktatorischer Akt

Beginnen wir mit Arnulf Baring, Jahrgang 1932, dem man wirklich nicht vorwerfen kann, er würde mit seiner Meinung hinter dem Berg halten. Er ist ein Verfechter von eindeutiger und direkter Aussage. In Diskussionen und Buchveröffentlichungen nimmt er engagiert klare Positionen ein und wurde deshalb in der FAZ auch schon „erster Wutbürger des Staates“ tituliert.

Das ist schon abschätzig formuliert, Wut ist in ihrer Unbeherrschtheit nicht produktiv, Zorn schon. Arnulf Baring gehört zu den publizistisch wirksamen Menschen in Deutschland, die der Einführung des Euro von Anfang an skeptisch gegenüberstanden. Schon in den 90er-Jahren warnte er davor, die Risiken der Euro-Einführung zu unterschätzen, auch im Hinblick darauf, dass eine eigentlich notwendige Volksabstimmung zu diesem Thema nie gewagt wurde. Heute wird ja von Kohl offen zugegeben, dass die Einführung im Grunde „diktatorisch war, weil in freier Volksabstimmung der Euro abgelehnt worden wäre.

In einem Artikel in Focus Online schrieb Arnulf Baring letzte Woche, es sei schon seit Langem seine Überzeugung, dass die Deutschen bzw. ihre politischen Vertreter die Realität in Europa einfach nicht wahrhaben wollten:

„Wenn bei uns von Europa die Rede ist, geht man von einem Europa aus, das es gar nicht gibt. Wir tun so, als ob alle EU-Länder in der gleichen Richtung unterwegs wären. Doch die Mentalitäten auf unserem Kontinent sind extrem verschieden, man kann von einem gemeinsamen Denken und Handeln überhaupt nicht reden. Auf Dauer wird der Euro in seiner heutigen Form scheitern, denn die Leistungsunterschiede werden bleiben.“

Eine Missgeburt

Der Euro komme uns nicht nur sehr teuer zu stehen, sondern ruiniere zugleich alles, was in den letzten Jahrzehnten aufgebaut worden sei. Baring ist ja kein Befürworter von Konflikten, wenn er davor warnt, dass es neue Konfliktlinien geben wird. Gerade in Deutschland scheint es vielen Menschen schwer zu fallen, den Überbringer schlechter Nachrichten nicht mit dem Verursacher zu identifizieren. Baring sieht die neuen Konflikte am Horizont auftauchen und ist entsetzt. Die europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat großen Wohlstand und in ihrem Gefolge eine beispiellose politische Stabilität und den Abbau von Antipathien und Vorurteilen bewirkt, es ist eine Friedensgesellschaft entstanden, die für die Nachkriegsgenerationen Europas zur Normalität wurde. Die Missgeburt „Euro“ – das sind nicht Barings Worte, aber so muss man ihn verstehen – frisst nun diese erreichte Normalität auf.

„Aufs Ganze gesehen, sind unsere Politiker ängstlich zusammengerückt in der kollektiven Überzeugung, es existiere keine Alternative zum gegenwärtigen Kurs. In Politik und Medien gibt es dagegen so gut wie keinen Widerspruch. Wir sind auf dem Weg, ein autoritäres System zu werden – ohne Autoritäten.

Aber wie soll es weitergehen? Ich plädiere nicht dafür, zur D-Mark zurückzukehren – ein Zusammenschluss mit den Ländern, die eine ähnliche Leistungsfähigkeit haben wie wir, scheint mir die einzige Lösung zu sein. (…).

Aus der Hoffnung Europa ist eine Bedrohung für uns Deutsche geworden. Wir müssen aufpassen, dass durch die zunehmende Krisenanfälligkeit des Euro nicht unser gesamtes demokratisches System ins Rutschen kommt.“

Team Stronach

Baring ist auch klar, dass ein unabgestimmter Brachial-Ausstieg aus dem Euro niemandem etwas bringen würde, an anderer Stelle hat er deutliche Sympathien für die Nord-Euro Idee von Olaf Henkel geäußert (s.u.). Baring geht es als Politikwissenschaftler und Historiker aber vor allem auch um die Demokratie. Sein Wort von dem „autoritären System ohne Autoritäten“, in das seiner Meinung nach unser politisches System langsam abrutscht, sollte auch Euro-Befürworter etwas wacher machen. Soll der Euro denn wirklich um jeden Preis verteidigt werden?

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In derselben Woche gab es – ebenfalls im Focus Online – eine Besprechung des neuen Buchs des Euro-Klageveteranen Wilhelm Hankel, Jahrgang 1929, der schon zusammen mit anderen Mitstreitern wie z.B. Joachim Starbatty vor Einführung und erst recht nach Einführung des Euro gegen diese Währung gerichtlich aktiv wurde.

Hankel ist seit einiger Zeit wissenschaftlicher Berater in Währungsangelegenheiten der österreichischen Protestpartei „Team Stronach“, die im September 2013 anstrebt, in den Nationalrat des Nachbarlandes gewählt zu werden. In diesem Zusammenhang sind wohl auch die Vorschläge in der neuen Veröffentlichung Hankels zu sehen. Natürlich ergeht auch an diese neue österreichische Partei der Vorwurf, sie sei populistisch. Das übliche deutsche Schubladendenken versagt im Übrigen aber bei dieser politischen Gruppierung, wie überhaupt die politischen Vorgänge im Nachbarland für deutsche Beobachter manchmal äußerst bunt erscheinen. Es bleibt aber festzuhalten, dass der 84jährige Ökonom Hankel einmal mehr seinen Zorn in ein politisches Engagement produktiv umgesetzt hat und nun eine offizielle Funktion in einer Partei des Nachbarlandes ausübt. Auch als Unterstützer der Freien Wähler ist er jetzt hervorgetreten, mischt sich also auch in den deutschen Wahlkampf ein.

Über seine Ablehnung der verunglückten Währung hat Wilhelm Hankel nie einen Hehl gemacht. Schon Anfang des letzten Jahres ging er soweit, die endgültige Abwicklung des Euros zu fordern:

„Der Kampf um den Euro ist verloren. Die einzig vernünftige Lösung ist seine geordnete Abwicklung, die Liquidation der Währungsunion. Das verursacht die geringsten Kosten und es gibt historische wie aktuelle Modelle dafür. Auf dem Balkan, in Albanien etwa, hat man nationale Währungen und den Euro als Parallelwährung. Der Markt regelt das Umtauschverhältnis. Auch nach dem Ersten Weltkrieg, nach Auflösung des Habsburger Reiches, wurden nationale Währungen eingeführt und die alte Kronenwährung eine Zeit lang fortgeführt.“

Die Euro-Bombe

In seinem Buch „Die Euro-Bombe wird entschärft“ versucht er nun, in Anknüpfung an die schon 2012 geäußerten Gedanken eine Lösung für die unheilvolle Entwicklung darzustellen, die der Euro mit sich gebracht hat. Der Wirtschaftswissenschaftler Hankel sieht große Probleme bei einem ungeordneten Zusammenbruch des Euro.

Eine Abschaffung von heute auf morgen würde Europa in heftige Turbulenzen stürzen. Es gebe ein massives Problem mit den Staatsschulden. Würden die in Euro aufgehäuften Staatsschulden auf einmal nicht mehr in Euro notiert sein, sondern in schwächere nationale Währungen umgerechnet würden, verlören die Besitzer von Staatsanleihen mit einem Schlag Billionen. Die Folge – so Hankel – wäre „das größte Chaos in Europa seit dem Untergang des römischen Reiches“. Es muss über einen realistischen und politisch gangbaren Ausstieg aus der bestehenden Situation der Euro-Währung geredet werden.

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Man merkt, dass die politische Funktion Hankels auch zu vorsichtigeren Formulierungen führt. Hat Hankel Anfang 2012 noch für so etwas wie eine kontrollierte Liquidation des Euro plädiert, kann er sich nun vorstellen, dass der Euro als Langzeit-Leitwährung verschiedener nationaler Währungen, die in einem Währungssystem zusammengefasst sind, bestehen bleibt. In dem Artikel zum Buch heißt es dann auch:

„Der neue Euro sei komplett durch nationale Währungen gedeckt. Die Europäische Zentralbank (EZB) würde Euro nur im Tausch gegen nationale Währungen ausgeben. Auch die Folgen einer Doppelwährung für das tägliche Leben hält Hankel für beherrschbar. ‚Die Europäer würden den neuen, stabilen Euro zum Sparen verwenden – und im Supermarkt mit den nationalen Währungen zahlen.‘ “.

Auch wenn man berechtigte Zweifel hegen kann, dass diese Vorstellungen von Hankel unter den gegebenen Umständen konkrete Politik werden können, sind sie doch zumindest das Formulieren einer Gegen-Option in einer Zeit der alternativlosen Konformität, in die Deutschland unter der Kanzlerschaft Merkels hineingeraten ist.

Traum vom Nord-Euro

Zu guter Letzt der im Vergleich zu den erstgenannten zornigen Alten noch relativ junge Hüpfer Hans-Olaf Henkel, Jahrgang 1940, der sich nun, zornerfüllt wie er ist, der gerade an diesem Wochenende als Partei gegründeten AfD als Berater zur Verfügung stellt. Im Unterschied zu Baring und Hankel war er nicht von Anfang an euroskeptisch, sondern hat erst nach Einsetzen der Euro-Krise die fatale Wirkung der gemeinsamen Währung erkannt. Er wandelte sich somit vom Euro-Saulus zum Nord-Euro-Paulus.

Auch er veröffentlichte in der letzten Woche in seiner regelmäßigen Kolumne im Handelsblatt Online wieder einmal einen eurokritischen Beitrag. Henkel „träumt“ von seinem Nord-Euro:

„Am Wochenende schlief ich im ICE zwischen Berlin und Hamburg ein. Ich träumte, dass der französische Staatspräsident der deutschen Bundeskanzlerin den Wunsch Frankreichs und anderer Südländer nach einem Ausstieg Deutschlands aus der Eurozone übermittelte.“

Die Tatsache, dass Henkel das Ganze in einen Traum kleidet zeigt auch seine Zweifel an einer derzeitigen Realisierung des Nord-Euro-Konzeptes auf. Ein Großteil seines Traumes beschäftigt sich mit Protagonisten der deutschen Innenpolitik, die wenig freundlich in ihrer jeweiligen politischen Beschränktheit beschrieben werden. Hier wandelt sich Zorn in Polemik. Aber als Traumgeschehen mag es durchgehen. Schließlich kommt es zum Höhepunkt – der Gründung des Nord-Euro, des Eurogulden, eine Bezeichnung, mit der viele in Deutschland leben könnten:

„Nach Annahme des französischen Vorschlages durch Finnland, Holland und Österreich, so träumte ich weiter, sah sich auch die Bundesregierung genötigt, zuzustimmen. Auch wurde bekannt, dass sich der neuen Währung – auf Vorschlag der Holländer „Eurogulden“ genannt – die Nichteuroländer Dänemark, Schweden, Polen und Tschechien anschließen wollen. Alle Teilnehmer der neuen Eurowährung würden den ursprünglichen Vertrag von Maastricht einhalten, einschließlich der „No-Bail-Out“-Klausel, die jede Vergemeinschaftung von Staatschulden untersagt.“

Gefahr des Bürgerkriegs

Der Realismus-Check für das geschilderte Szenario erbringt in der derzeitigen europolitischen Situation eine wohl eher geringe Wahrscheinlichkeit für eine solche Entwicklung:

  1. Niemals wird Frankreich freiwillig einen solchen Schritt tun. Deutschland müsste die Forderung stellen und wäre wahrscheinlich sofort politisch isoliert.
  2. Die Angst vor einer neuen Nordeuro-Führungsmacht Deutschland ist wohl immer noch groß genug, um andere Länder vom Eintritt in einen solchen Währungsverbund abzuhalten. Aber träumen darf man natürlich.

Für die drei hier behandelten Euro-Gegner, deren Kennzeichnung als „zornige alte Männer“ keinesfalls abwertend gemeint ist, ist ein bloßes Zurück zur D-Mark keine Lösung. Die Lösungswege sind unterschiedlich bei Hankel auf der einen und Baring/Henkel auf der anderen Seite. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie versuchen, wenigstens Alternativen für eine völlig verfahrene Situation zu formulieren und zu veröffentlichen, auch wenn die Chance, in der Politik Gehör zu finden, gering ist und klar ist, dass die Wächter der political correctness solche Äußerungen als versteckten Nationalismus und geltungssüchtigen Rechtspopulismus brandmarken werden.

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Letztendlich passiert das alles vor dem Hintergrund, dass die bisherige Rettungspolitik der Euro-Zone erkennbar erneut in eine Krisensituation gerät: teilenteignete Sparer auf Zypern, dessen Geldbedarf aber weiter ansteigt; blockierte italienische Innenpolitik mit immer größeren antideutschen Tönen; verfassungsgerichtlicher Stopp portugiesischer Sparmaßnahmen; die zweitgrößte Euro-Wirtschaft Frankreich im Trudeln.

Man fragt sich, wie lange es noch dauern wird, bis auch in Deutschland eine größere Anzahl etablierter Politiker endlich den Mund aufmachen wird, um andere Optionen zu diskutieren. Was wir von den Politikern verlangen können, ist ein Denken in Alternativen. Eine Neustrukturierung der Währungsunion, die allen Beteiligten eine Chance lässt und zu einer nachhaltigen und stabilen Lösung führt, wäre allemal besser als die jetzige Politik des „Augen zu und durch“, die in den völligen Bankrott der Menschen in Europa und schlimmstenfalls in einen neuen europäischen Bürgerkrieg führt.

Eines ist allerdings sicher, der Schaden ist schon angerichtet, diese Banken- und Verschuldungskrise, denn das ist nun einmal der Kern der Euro-Krise, werden alle bezahlen müssen, auch und vor allem die Deutschen.

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