Fragen nach der rechten Gesinnung der Anti-Euro-Partei

Weil sie angeblich Beifall vom rechten Rand bekommt, muss sich die „Alternative für Deutschland“ Fragen der Berliner Hauptstadtjournalisten nach ihrer politischen Positionierung gefallen lassen.

 

Gut ein Dutzend Kamerateams warten im Berliner Haus der Bundespressekonferenz auf den Chef der neuen Partei „Alternative für Deutschland“, Bernd Lucke. Sie alle wollen den Mann sehen, der mit wachsender Popularität seine Partei als politische „Alternative für Deutschland“ propagiert. Vor sechs Wochen kannte ihn kaum jemand. Jetzt wird er zu Talkshows eingeladen, sogar britische und niederländische Fernsehteams interessieren sich für den Volkswirtschaftler aus Hamburg, der das „Euro-Regime“ beenden will.

Er kommt mit über einer halben Stunde Verspätung. „Ich stand heute Morgen um sieben Uhr bei Schneetreiben in Hamburg am Bahnsteig“, sagt er. „Aber es kam kein Zug.“ Nun, da er da ist, wollen die Journalisten vor allem wissen, wo er denn politisch stehe, links, rechts oder irgendwo in der Mitte des politischen Spektrums. Anlass der Nachfragen ist zum einen ein Satz aus dem Parteiprogramm, der da lautet: „Wir lehnen eine Gängelung der öffentlichen Meinung unter dem Deckmantel der sogenannten ,political correctness’ ab.“

Zum anderen hatte ein Beitrag von „tagesschau.de“ die neue Partei mit rechtsradikalen Kreisen in Verbindung gebracht. Dort hieß es: „In rechtsradikalen Kreisen wird AfD-Gründer und Ökonom Lucke beispielsweise derzeit gelobt, da er in der ZDF-Sendung ,Maybritt Illner’ von ,Propaganda’ sprach, weil der Euro als ,Friedensprojekt’ bezeichnet worden sei. Auf rechtsradikalen Internet-Seiten heißt es zu der angekündigten Gründung der ,Alternative für Deutschland’, die unter anderem von Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel unterstützt wird, Mut mache, dass die Basis aus Finanzexperten und Ökonomen bestehe.“

Bern Lucke und Laura Petry vor der Berliner Presse / Foto: Lachmann

Bern Lucke und Laura Petry vor der Berliner Presse / Foto: Lachmann

Lucke versichert, seine Partei stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes. „Wir sind unideologisch und bekommen Unterstützung aus allen politischen Lagern“, sagt er. Eine Umfrage habe ergeben, dass sich sogar über 50 Prozent der Linken-Anhänger vorstellen könnten, die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu wählen. Er sagt aber auch: „Ist es nicht auch eine Form von Gängelung der Berichterstattung, wenn man uns wegen unserer Europolitik nationale Umtriebe unterstellt?“

Seine Vorstandskollegin Frauke Petry eilt ihm zur Hilfe. Die AfD habe es nicht nötig, „am rechten oder linken Rand zu fischen“, sagt sei. „Und wir haben kein Problem damit zu sagen, wer uns wählt.“ Gerade erst sei etwa ein Sozialdemokrat nach 40 Jahren SPD-Mitgliedschaft zu ihnen gewechselt. Petry musste vorhin schon die Zeit des Wartens auf Lucke mit Antworten auf die politische Positionierung der AfD überbrücken. Sie seien für ein „einiges Europa“, sagte sie da, „aber nicht für ein zwangsvereinigtes Europa“. Und: „Wir wehren uns dagegen, dass hier ein europäischer Staat durch die Hintertür eingeführt wird.“

Wer einen europäischen Staat wolle, der solle den Bürger direkt fragen. Aber nicht nur Europa brauche mehr Demokratie, auch die Bundesrepublik. „Wenn ich mich recht erinnere, war Deutschland das einzige Land, in dem die Bürger nicht zur Euro-Einführung befragt wurden“, sagte sie.

Petry musste sich gar gegen den Vorwurf der „Gesinnungsschnüffelei“ wehren, weil ihre Partei den bisherigen politischen Hintergrund von Neumitgliedern durchleuchte. „Wir nutzen die Möglichkeiten des Internets, um zu schauen, was der- oder diejenige bisher politisch gemacht hat“, räumte sie ein. Auf diese Weise wollten sie sicherstellen, dass keine radikalen oder extremistischen Kräfte in die Partei kämen, erklärt sie etwa zu dem Zeitpunkt, da Lucke eintrifft.

Der erläutert nun noch einmal kurz die drei Ziele der Partei. Erstens strebe sie ein Ende des Euro-Währungsregimes an, zweitens das Ende der Transferzahlungen innerhalb der Europäischen Union, und drittens strebe die Partei nach mehr direkter Demokratie. Ob sie Angela Merkel stürzen wollten, will ein Journalist wissen. Es gehe ihm nicht um Personen, sondern um Inhalte, antwortet Lucke. Er wolle die Euro- und Europapolitik ändern. Mit wem die neue Partei denn koalieren würde, fragt jemand. „Wir bleiben so lange in der Opposition, bis eine andere Partei bereit ist, die Europapolitik zu ändern“, sagt Lucke. Das sehe er aber im Augenblick nicht.

Überraschend kündigt er eine mögliche Teilnahme seiner Partei nicht nur bei der Bundestagswahl im September, sondern auch an der Landtagswahl in Bayern an. Eine Zusammenarbeit mit den Freien Wählern, wie es sie noch bei der jüngsten Landtagswahl in Niedersachsen gab, werde es künftig allerdings nicht mehr geben. Die Freien Wähler sitzen bereits im bayerischen Landtag und seien nicht traurig über die Aufhebung der Kooperation gewesen. „Die Basis der Freien Wähler fühlt sich mit dem Euro-Thema nicht wohl. Es mangelt wohl auch an Kenntnissen. Sie wollen mehr den sorgenden Politiker vor Ort.“ Diesen Anspruch könne und wolle die AfD nicht erfüllen. Deshalb würden sie auch nicht bei Kommunalwahlen antreten. Die AfD sieht sich in der großen Politik.

Geschrieben für Die Welt

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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