Warum wollen Sie zurück zur D-Mark, Herr Lucke?

Der Volkswirtschaftler Bernd Lucke steht an der Spitze einer neuen Partei, die sich als politische „Alternative für Deutschland“ sieht. Er will raus aus dem Euro, obwohl er sagt, mit der D-Mark geriete die gesamte deutsche Wirtschaft enorm unter Druck, die Einkommensituation würde sich verschlechtern, die der Exporte ebenfalls. Warum also wollen Sie zurück zur D-Mark, Herr Lucke?

 

Herr Lucke, warum wollen Sie zurück zur D-Mark?

Bernd Lucke: Wir wollen in erster Linie den Euro auflösen. Das kann ein Zurück zur D-Mark oder zu kleineren Währungsverbünden sein. Wir müssen den Euro auflösen, weil sich die Volkswirtschaften der südeuropäischen Staaten als nicht wettbewerbsfähig herausgestellt haben und die realen Anpassungen, die erforderlich wären, um diese Länder wieder wettbewerbsfähig zu machen, diese Länder überfordern würden. Mit anderen Worten: Die Reform-Politik Angela Merkels überfordert und stranguliert die südeuropäischen Staaten.

Was verstehen Sie unter kleineren Währungsverbünden?

 Lucke: Zunächst einmal könnten die südeuropäischen Staaten aus dem Währungsgebiet ausscheiden und so das Währungsgebiet verkleinern. Sie könnten nationale Währungen wieder einführen oder gemeinsam einen Währungsverbund bilden. Gleichzeitig gäbe es den Währungsverbund des Resteuros. Es stellen sich dann allerdings direkt Folgefragen: Was ist mit Frankreich? Das Land ist auf dem besten Wege in eine ähnlich problematische Situation wie Italien zu rutschen.

Welche Probleme meinen Sie?

Lucke: Das sind die Probleme mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Die Preise in Südeuropa sind zu hoch relativ zu den Preisen der wettbewerbsfähigeren Staaten wie Deutschland, Holland oder Österreich. Um dort Entlastung zu schaffen, müssten die Löhne zwischen 30 und 50 Prozent sinken. Das kann man der Bevölkerung nicht zumuten.

Welche Staaten könnten sich zu einem Währungsverbund zusammenfinden?

Lucke: Ökonomisch sind eine Reihe von Staaten bei der Wettbewerbsfähigkeit auf einem vergleichbaren Niveau. Dazu zählen Deutschland, die Niederlande, Österreich, Finnland. Aber die Frage hat auch eine politische Dimension. Ökonomisch gesehen, müsste Frankreich draußen bleiben. Politisch ist das aber nicht umsetzbar. Da hielte ich es für gesichtswahrender, jeden seine eigene nationale Währung einführen zu lassen.

Also doch zurück zur D-Mark?

Lucke: Ja, genau. Aus den genannten politischen Gründen.

Was hätte die Wiedereinführung der D-Mark zur Folge? Wie würde sich der Währungswechsel auf die Kaufkraft der Bürger auswirken?

Lucke: Die Kaufkraft würde in Bezug auf Importe steigen, denn die D-Mark würde gegenüber den anderen Währungen aufwerten. Importierte Güter würden von den deutschen Verbrauchern also billiger.

Aber die Löhne gerieten vermutlich unter Druck.

Lucke: Richtig. Die deutsche Wirtschaft wäre insgesamt unter Druck, die Exportsituation würde sich verschlechtern. Das ist allerdings eine Situation, mit der Deutschland schon immer zu tun gehabt hat. Die D-Mark stand über den ganzen Verlauf der Nachkriegszeit unter Aufwertungsdruck. Die Industrie ist damit unter dem Strich recht gut fertiggeworden.

…die Regierungen hatten aber zuweilen ihre liebe Not damit…

Bernd Lucke, Sprecher der „Alternative für Deutchalnd“, auf einer Veranstaltung in Oberursel / Screenshot aus einem Video im Text

Lucke: …Sie haben versucht, exzessive Wechselkursschwankungen zu vermeiden. Deshalb hatte man ja auch das europäische Währungssystem oder die europäische Währungsschlange, die diese mehr zufälligen und spekulativen Währungsschwankungen aushebeln sollten.

Wie stark würde denn der Druck auf die Einkommen sein?

Lucke: Ich glaube, dass die Lohnzuwächse geringer ausfallen als unter dem Euro. An Lohnsenkungen glaube ich nicht. Dazu muss ich aber eines klarstellen: Ich bin kein Verfechter eines sofortigen Euro-Austritts. Mein Vorschlag ist, über die Einführung von Parallelwährungen einen gleitenden Ausstieg aus dem Euro zu erzielen.

Wie genau stellen Sie sich das vor?

Lucke: Die südeuropäischen Länder führen ihre nationalen Währungen zunächst parallel zum Euro ein. Der Vorteil wäre: Die Staaten könnten ihre nationalen Währungen abwerten und so die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft erhöhen. Es bestünde dann eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Währungen.

Was hieße das für Deutschland?

Lucke: Mit der Einführung von Parallelwährungen in Südeuropa, also einer graduellen Flexibilisierung des Währungsregimes wäre der Aufwertungseffekt für Deutschland sehr viel milder, und die Wirtschaft hätte die Möglichkeit, sich anzupassen.

Für die Arbeitnehmer klingt das dennoch nicht verlockend. Einer Allensbach-Studie zufolge haben sie zwischen 1995 und 2008 bereits real nichts hinzuverdient. Jetzt sollen sie schon wieder verzichten?

Lucke: Zunächst mal: Im Augenblick werden die Ersparnisse der Arbeitnehmer real aufgezehrt, weil die Zinsen niederiger als die Inflationsrate sind. Das ist eine hinterhältige Art der Besteuerung. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer bald mit echten Steuern für die gewaltigen Haftungssummen im Rahmen der Eurorettung zahlen müssen. Das wollen wir ändern und zwar in einem gleitenden Prozess, bei dem die Löhne nicht unter Druck geraten sondern durch Innovationen aufgefangen wird. In der Nachkriegszeit hat die deutsche Wirtschaft immer mit produktivitätssteigernden Innovationen auf Aufwertungen reagiert.

Wo sollen denn die Innovationen herkommen?

Lucke: Wenn der Wettbewerbsdruck steigt, steigen auch die Anreize für Forschung, Entwicklung und Innovationen. Die Länder, die sich immer nur durch Abwertungen dem Wettbewerbsdruck entzogen haben, sind auch deshalb wenig innovativ gewesen.

Was passiert bei einer Rückkehr zur D-Mark mit den durch die Rettungspakete angehäuften Schulden und Zahlungsverpflichtungen?

Lucke: Grundsätzlich würde ich versuchen, das Schuldenproblem vom Wettbewerbsproblem trennen. Das Schuldenproblem verlangt nach einem Schuldenerlass, also einer geordneten Staatsinsolvenz. Das muss man machen, unabhängig davon, was man mit der Währung tut. „Geordnet“ bedeutet, dass der Finanzsektor im betroffenen Land – im Interesse der Kleinsparer – stabilisiert wird. Aber diese Stabilisierung soll nicht durch Steuergelder geschehen, sondern durch Forderungsverzichte der Großgläubiger der Banken.

Moment, die Banken haben ihre Risiken in den vergangenen Jahren erfolgreich auf den Steuerzahler abgewälzt. Wenn es also in Griechenland einen Schuldenschnitt gibt, dann zahlt der Steuerzahler.

Lucke: Für Griechenland stimmt das.  In Portugal und Irland haben wir erst einen Teil der Staatsschuld verbürgt.. Und der spanische Staat hat noch gar keine Garantien bekommen. Aber ich stimme zu: Die Politik hat es geschafft, den Steuerzahler schon sehr weit in die Haftung zu bringen. Und der notwendige Schuldenschnitt wird deshalb auch zu Lasten des Steuerzahlers ausfallen müssen. Das ist leider die fatale Realität, der wir nicht mehr entrinnen können. Aber zumindest sollten wir nicht noch weitere Verpflichtungen eingehen.

Wie verändert sich bei der von Ihnen skizzierten Rückkehr zur D-Mark die Beziehung zwischen Bundesbank und Europäischer Zentralbank?

Lucke: Wenn wir parallel den Euro beibehielten, dann wäre das so, dass die Bundesbank im EZB-System bleibt, aber eine Art zweite Abteilung eröffnen würde, die außerhalb des EZB-Systems die nationale Währung herausgibt. Allerdings favorisiere ich die Einführung einer Parallelwährung in den Südländern, nicht bei uns.

Und was wäre mit den Target-II-Salden?

Lucke: Die Target-II-Salden bleiben. Das ist ja ein Vorteil dieser Parallelwährung.  Nehmen wir das Beispiel Griechenland. Dadurch, dass etwa die griechische Zentralbank nicht aus dem Euro ausscheidet, sondern der Euro nach wie vor legales Zahlungsmittel ist, muss die griechische Zentralbank nach wie vor die Forderungen begleichen, die andere Staaten wie Deutschland, die Niederlande und Finnland ihr gegenüber haben. Und man könnte hoffen, dass zumindest ein Teil dieser Forderungen noch befriedigt wird.

Was macht Sie da so optimistisch?

Lucke: Die Target-Salden der Bundesbank sind im Augenblick rückläufig. Sie bilanzieren inzwischen nur noch mit einem Wert von knapp über 600 Milliarden Euro. Es waren schon einmal 750 Milliarden Euro.

Weil die EZB riesige Mengen Geld druckt…

Lucke: …Die lockere Geldpolitik der EZB hat sicher dazu beigetragen.

Und Sie sind sicher, dass diese Forderungen tatsächlich einmal auf ein vertretbares Maß zusammenschmelzen werden?

Lucke: Also, ich habe große Zweifel daran, dass der Betrag vollständig zurückgeführt werden kann. Insbesondere dann, wenn Griechenland weiterhin so stagniert. Aber es ist möglich, dass der Forderungsbetrag weiter sinkt.

Wie müssten denn Ihrer Meinung nach die Währungsrelationen in dem von Ihnen angestrebten Europa aussehen?

Die Repräsentanten der „Wahlalternative 2013“ in Oberursel / Screenshot aus einem Video im Text

Lucke: Das würden uns die Märkte mitteilen, allerdings typischerweise mit großen spekulativen Bewegungen, vor denen ich Sorge habe.  Auch deshalb liegt mir daran, den Übergang gleitend zu gestalten und nicht ein Land über Nacht aus dem Euro ausscheiden zu lassen. Schätzungen für Griechenland liegen bei einer notwendigen Abwertung zwischen 30 und 50 Prozent gegenüber dem Euro.

Das heißt, es wird seine Schulden wohl nie mehr zurückzahlen können, oder?

Lucke: Ja, das ist ein großes Problem. Die Auslandsschulden würden nämlich weiter in Euro bestehen und damit teurer…

…exorbitant teurer!

Lucke: …Ja, das ist richtig. Man muss allerdings gegenrechnen, dass sich die griechische Wirtschaft durch den Euro-Ausstieg wieder beleben würde. Das heißt, Griechenland hätte wieder Wachstum und steigende Steuereinnahmen.

Aber die Steuereinnahmen wären dann in Relation zum Euro auch 50 Prozent weniger wert als heute. Die Möglichkeiten des Staates, die Schulden zu begleichen, würden bestenfalls marginal steigen, oder?

Lucke: Moment, Sie müssen zwischen einmaligen und dauerhaften Effekten unterscheiden. Die Aufwertung der Staatsschulden ist ein Einmal-Effekt. Zusätzliche Steuereinnahmen fallen in jedem künftigen Jahr an. Wenn Sie das summieren, kann da ein erheblicher Betrag zustande kommen.

Was wäre denn mit den deutschen Auslandsguthaben in Höhe von über 980 Milliarden Euro, wenn wir wieder in D-Mark zahlen?

Lucke: Wenn die Auslandsforderungen inländischem Recht unterliegen, werden sie auf D-Mark umgestellt. Andernfalls blieben sie als Euro-Betrag in ihrer jetzigen Höhe erhalten.

Da aber die D-Mark gegenüber dem Euro aufwertet, wie Sie sagen, ergäbe sich für die ausländischem Recht unterliegenden Auslandsguthaben ein Verlust?

Lucke: Das gibt einen Verlust in dem Ausmaß, in dem die D-Mark aufwertet. Aus diesem Grund sollte die D-Mark langsam aufwerten, damit diese Verluste im Rahmen bleiben können. Das müsste die Zentralbank regeln.

Im Grunde sind Sie derzeit eine Ein-Thema-Partei. Oder sehen Sie das anders?

Lucke: Wir haben mindestens drei Themen: die Währung, die europäischen Integration und das Thema Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Aber wir erarbeiten Positionen auch zu anderen Themen, z. B. fordern wir eine Vereinfachung des Steuerrechts, wobei wir uns an dem Kirchhof-Vorschlag orientieren. Auch Bildung, Alterssicherung und Energie stehen bei uns auf dem Programm.

Wie sieht das Europa aus, das Sie gestalten würden, wenn Sie könnten?

Lucke: Es ist das Europa vor der Schuldenkrise mit einem gemeinsamen Binnenmarkt und einer politischen Union. Was wir nicht wollen, ist eine Fiskalunion!

Wie muss denn diese politische Union ausgestaltet sein?

Lucke: Etwa so wie jetzt auch bzw. wie sie in den Verträgen von Nizza und Lissabon geregelt ist. Allerdings sollte der Bürger mehr darüber erfahren, was das europäische Parlament macht. Tatsächlich wird das Europäische Parlament nicht von seinem Souverän, dem Bürger, kontrolliert.

Sie fordern ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild. Für die ganze EU?

Lucke: Idealerweise sollte das ein Gesetz sein, das in allen Schengen-Ländern einheitlich angewendet wird.

Also soll es keine nationale Einwanderungspolitik mehr geben?

Lucke: Ein koordiniertes Vorgehen aller Schengen-Länder wäre anzustreben. Klappt das nicht, muss ein nationales Einwanderungsrecht geschaffen werden, das den deutschen Interessen entspricht.

Was sind denn die deutschen Interessen?

Lucke: Erstens sollten wir stark auf die Qualifikation der Zuwanderer achten, zweitens sollten sie integrationswillig und integrationsfähig sein. Derzeit gibt es viele andere Möglichkeiten der Zuwanderung, vor allem über den Familienzuzug, die weder die Qualifikation der Zuwanderer sichern noch deren Integrationswilligkeit sicherstellen. Da wir schon einen relativ großen Anteil  von Familien hier haben, die zu früheren Zeitpunkten eingewandert sind, ergibt sich da eine erhebliche Folgeeinwanderung.

Heißt das, Sie wollen weniger Türken in Deutschland?

Lucke: Mir geht es nicht um die Nationalität. Es gibt auch viele gut qualifizierte Türken, und wenn sie integrationswillig und –fähig sind, sind sie mir willkommen.

Kommt diese Gruppe nicht?

Lucke: Denen machen wir es vielleicht etwas schwer. Vielleicht sehen Sie auch gute Chancen anderswo. Es gibt ja sehr viel türkische Immigration nach Amerika. Die USA wirken auf sie vielleicht attraktiver.

Wie viele Mitglieder hat Ihre Partei inzwischen?

Lucke: In den ersten vier Tagen haben wir ungefähr 2000 Mitglieder gewonnen. Und der Zustrom ist ungebremst.

Sie müssen 16 Landesverbände gründen und in 299 Wahlkreisen Kandidaten aufstellen. Wie wollen Sie das schaffen bis zur Bundestagswahl?

Lucke: Es ist ja noch ein bisschen Zeit. Die Landeslisten müssen bis zum 15. Juli eingereicht werden.  Im April werden wir die Landesverbände gründen, da gab es schon viele Vorarbeiten durch unsere Landes- und Kreisbeauftragten. Ich bin sicher, dass wir einen großen Teil der Wahlkreise mit eigenen Kandidaten besetzen können.

Es steht also fest, dass Sie antreten?

Lucke: Das entscheiden wir Ende April. Denn letztlich ist es eine finanzielle Entscheidung. Ein Bundestagswahlkampf ist unendlich teuer. Darum müssen wir uns fragen, wie unsere Spenden- und Beitragslage ist.

Wer unterstützt Sie denn finanziell?

Lucke: Ausschließlich unsere Mitglieder und Unterstützter. Wir sind ja eine Graswurzelbewegung. Wir bekommen sehr viele Kleinspenden. Die ermöglichen uns eine gewisse Beweglichkeit.

Wie hoch sind solche Kleinspenden?

Lucke: Das sind zwei- oder dreistellige Eurobeträge.

Was ist mit der Wirtschaft?

Lucke: Großunternehmen und Banken sind typischerweise für die Eurorettung und fallen als Spender aus. Wir spüren einen erheblichen Rückhalt im Mittelstand und bei den Familienunternehmern. Die machen sich große Sorgen um die Entwicklung Deutschlands in der Euro-Krise.

Warum genau diese?

Lucke: Wohl weil Familienunternehmer langfristiger denken als Vorstände von Aktienunternehmen, die dann doch mehr am Shareholder Value interessiert sind. Familienunternehmer wollen ihre Unternehmen langfristig im Bestand sichern.

Genau diese Gruppe sprechen auch die Freien Wähler an, die sie ursprünglich unterstützen wollten. Wie kam es zum Bruch?

Lucke: Wir haben gemeinsam einen Wahlkampf in Niedersachsen organisiert und dabei gewisse Erfahrungen gemacht. Und aus dem, was wir dort erlebt haben, zogen wir den Schluss, dass ein gemeinsamer Wahlantritt mit den Freien Wählern nicht aussichtsreich ist.

Geschrieben für „Die Welt

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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