Tiefe Einblicke in die politische „Alternative für Deutschland“

Sie sind „Senior Advisor“ der Bank of America, plädieren dafür, dass Hungernde zur "Existenzsicherung" ihre Organe verkaufen,  unterschreiben neoliberale Appelle und wollen zurück zur  preußischen Kriegsdoktrin. Wer will diese "Alternative für Deutschland"?

 

Wer während der letzten Monate die Aktivitäten der „Wahlalternative 2013“ (WA2013), aus der eine Parteigründung der sogenannten „Alternative für Deutschland“ hervorgehen soll, beobachtet hat, mag ein etwas diffuses Bild erkennen.

Der ursprüngliche Ansatz der WA2013 (Support der Freien Wähler) hatte etwa 10.000 Beobachter dazu bewogen, dem Aufruf der Organisation zu folgen und einer Unterstützer-Liste beizutreten.

Nach dem blamablen Ergebnis für Prof. Lucke bei den Niedersachsen-Wahlen entstand wohl das Gedankenkonstrukt, mit anheimelnder Semantik einen unfriendly take-over der Freien-Wähler Bundesvereinigung einzuleiten.Während dieser Phase ergab sich die Gelegenheit, mit einigen nachrangigen Fellows der WA2013, die nach meiner Wahrnehmung versuchten, vorhandene Parteistrukturen auf Länder- und Bezirksebene zu unterwandern, in einen Dialog einzutreten.

Dabei kam im Zusammenhang mit dem Gedankenkonstrukt eines möglichen Austritts Deutschlands aus der Eurozone und deren Wechselwirkungen erheblicher Widerstand –z.T. unsachlich und hochemotional vorgetragen- zum Ausdruck.Solche und ähnliche Erfahrungen könnten für eine gewisse Skepsis hinsichtlich der wahren Ziele von Lucke und seiner „Muße ohne Unterleib“ (fehlende von Partei- und Wahlgesetz geforderte Parteistrukturen) hervorgerufen haben.

Ein guter Anlass, nach bewährter Methodik (Cui bono? und „follow the money“) doch etwas genauer hinzusehen, insbesondere nachdem Lucke die Unterstützer der WA2013 in einer Mail für eine mögliche Parteigründung sensiblisiert hatte.

So warb die Wahlalternative 2013

So warb die Wahlalternative 2013

Dem Vernehmen nach gab es in der Folge zahlreiche Telefongespräche zwischen Lucke und einigen Landesvorsitzenden und Vorständen von FW-Landesvereinigungen mit dem Ziel, eine Kandidaten-Liste für die jeweilige Landesliste den FW-Delegierten unterzuschieben, wobei kurioserweise zwischen einem FW-Landesvorsitzenden und Lucke über diese Namensliste Stillschweigen vereinbart wurde, eine Maßnahme die getrost als Hinterzimmer-Kungelei zweier Voll-Demokraten bezeichnet werden könnte.

Letztlich wurde der von Teilen der FW-Basis als aggressiv wahrgenommene Übernahme-Versuch vom Bundesvorstand der FW erfolgreich abgeschmettert.

Cui bono?

Eine Zerfaserung eurokritischer Parteien und Neugründungen dürfte in erster Linie den großen Blockparteien Freude bereiten – allerdings könnte dadurch für die FDP die 5-Prozent-Hürde gefährlich ins Wanken geraten.

Eine Ein-Programm-Partei, wie die in Rede stehende „AfD“, wäre geeignet, beim gehobenen Mittelstand und in Akademiker-Kreisen quasi als Seelenfänger kritischen Stimmen eine Plattform zu bieten. Dabei sollte allerdings nicht unterschätzt werden, dass gerade diese Klientel aufgrund fremdsprachlicher Kompetenzen jenseits deutscher Jubelmeldungen durchaus ausländische Medien beobachten dürfte und daraus eigene Schlüsse ziehen könnte.

Allerdings, so hat sich am Beispiel der „Piraten“ gezeigt, kann es in der Wählergunst durchaus einen Malus bedeuten, keine eigenen Positionen zu der Vielzahl anderer gesellschaftspolitischer Reizthemen anzubieten. Und hierzu – so scheint es – mangelt es der AfD an entsprechenden Kompetenzen.

„follow the money“

Die „Afd“ verfügt offenbar nicht über ein solides Finanz-Fundament, um aktiven und vor allem wahrnehmbaren Wahlkampf zu gestalten  oder gar länderspezifische und regionale Partei-Strukturen aufzubauen. Um neben einer Spendenfinanzierung weitere denkbare Geldquellen zu verorten, hier daher ein erster Blick auf mögliche Netzwerke seitens der Gründer und Hauptzeichner der Wahlalternative:

Prof. Dr. Ing. E.h. Hans-Olaf Henkel dürfte in seiner Eigenschaft als „Senior Advisor“ der Bank of America, mutmaßlich über ein Netzwerk potentieller Geldgeber verfügen, welches der angestrebten Partei-Gründung offen oder verdeckt manche Tür öffnen könnte. Sofern solche Überlegungen tatsächlich auf der Agenda der AfD oder potentieller Unterstützer stehen sollten, könnte dies das ohnehin noch nicht vorhandene Image der Gruppe erheblich belasten.

Hans-Olaf Henkel von der "Alternative für Deutschland" und der Spitzenkanidat der Freien Wähler, Stephan Werhahn / Screenshot aus einem Video im Text

Hans-Olaf Henkel von der „Alternative für Deutschland“ und der Spitzenkanidat der Freien Wähler, Stephan Werhahn / Screenshot aus einem Video im Text

Henkel, der hinsichtlich der Euro-Thematik immer wieder Wert darauf legte, der Öffentlichkeit seinen Wandel vom „Saulus zum Paulus“ zu verkaufen, hatte im letzten Jahr in die Euro-Rettungs-Debatte seine in Teilen an die Feder von Prof. Wilhelm Hankel erinnernde, Thesen hinsichtlich eines  Nord-/Süd-Euro ’s eingebracht.

An der Stelle erhebt sich allerdings die Frage, inwieweit Henkel, dessen Herz nach eigenem Bekunden im wesentlichen für das Parteiprogramm der FDP schlägt, und der zunächst für Trommelwirbel zu Gunsten der Freien Wähler sorgte, um nun Ziele der „AfD“ zu unterstützen, bei einer potentiellen Wählerschaft der „AfD“ noch als glaubwürdig wahrgenommen werden kann.

Stefan Homburg, Professor an der Leibniz Universität Hannover und Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen, der von 1996 bis 2003 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen fungierte, ist seit 2005 Mitglied des Aufsichtsrats der Versicherungsgruppe Hannover (VGH) und seit 2010 Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der MaschmeyerRürup AG.
Der „Vorzeige-Demokrat‘ Carsten Maschmeyer hatte bereits in der Vergangenheit als Parteispender für manchen Wirbel gesorgt.

Dem Autor, PR-Journalisten und Filmemacher Günter Ederer, ist seit der finanziellen Unterstützung seiner neoliberalen Dokumentationen durch die Initiative Soziale Marktwirtschaft eine gewisse Nähe zu dem Goldesel INSM nicht abzusprechen.
Daneben sitzt Ederer, nach dessen Thesen der Sozialstaat abgeschafft werden soll, im Beirat der Lobbyorganisation „Die Familienunternehmer – ASU“.

Der ausgewiesene Experte für internationale Währungspolitik, Prof. Roland Vaubel soll beste Verbindungen zu dem einflussreichen und finanzstarken CATO-Institut pflegen, dessen Editorial Board er angehört.

Kreis der Initiatoren und Ziele der „Alternative für Deutschland“

Unter dem Leitmotiv „Zurück zur D-Mark“ fasst die AfD Ihre Ziele wie folgt zusammen:

  1. Deutschland wird im Einklang mit dem Maastricht-Vertrag nicht mehr für die Schulden fremder Staaten eintreten.
  2. Das einheitliche Euro-Währungsgebiet wird aufgegeben. Es steht allen Staaten frei, aus dem Euro auszuscheiden, sich in geeigneteren Währungsverbünden (Nord- und Südeuro) zusammenzuschließen oder Parallelwährungen einzuführen
  3. Abtretungen wesentlicher Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland bedürfen einer vorherigen Volksabstimmung.

Der geneigte Wähler hört dies sicher gerne und versäumt dabei, die Glaubensbekenntnisse der ‚Kerzen‘-Lichtgestalt Lucke (z.Zt. von der Uni Hamburg bis 31.3.2013 beurlaubt), zu hinterfragen.

Der vorzugsweise als Ökonom dargestellte Hochschul-Lehrer ist eigentlich mehr Sozialwissenschaftler als Ökonom, wenn man von seiner Kompetenz im Bezug auf das Schumpeter’sche ökonomische Mosaik-Steinchen, der Ökonometrie einmal absieht (ergänzende Informationen zur Ökonometrie siehe Anhang).

In seinem Aufsatz „Sollte Deutschland aus dem Euro austreten?„, der weder wissenschaftlichen noch makro-ökonomischen Bewertungen standhält, outet sich Prof. Lucke im Sinne der AfD-Ziele keineswegs als Heilsbringer solcher Erwartungen, sondern zeichnet, ohne etwa Aufwertungseffekte einer D-Mark 2.0 auch nur ansatzweise zu erwähnen, ein diffuses und eher negatives Szenario im Falle der Rückkehr zur deutschen Währungs-Souveränität auf.

Mit solch konzeptlosen und keineswegs zu Ende gedachten Überlegungen erscheint es dringend geboten, bei seinem prominenten Unterstützer, Prof. Joachim Starbatty, dessen makro-ökonomischer Sachverstand sehr geschätzt wird, um Nachhilfe zu ersuchen.

Prof. Lucke hatte bereits 2005 auf sich aufmerksam gemacht, als er kurz vor der Bundestagswahl 2005 zusammen mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft den sogenannten„Hamburger Appell“ initiierte und hat seitdem immer wieder mit kritikwürdigen Appellen ein hohes Fremdschämpotential ausgelöst, wie bei den Kollegen der Nachdenkseiten nachzulesen ist.

Dr. Konrad Adam wurde als Journalist von FAZ und Welt ebenso bekannt, wie für seine erzkonservative Ansichten.

Noch ein Loge der Wahlalternative 2013

Noch ein Loge der Wahlalternative 2013

Prof. Charles Beat Blankart, Mitglied der Mont Pelerin Society, der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft, des Berlin-Manhattan-Instituts und des Institut Constant de Rebecque, ist in Luzern geboren und somit Schweizer Staatsbürger. Hinweise darauf, dass er zwischenzeitlich die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hätte (vgl. mit aktivem und passivem Wahlrecht in Deutschland), sind im Netz nicht zu finden.

Prof. Ulrich Blum (bislang auch CDU), ein ausgewiesener Gegner von Mindestlohn-Konzepten, ebenfalls Unterzeichner diverser neoliberaler Appelle und stellvertrender Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Wie „verwegen“ ist das denn, mit diesem Standpunkt zu Mindestlöhnen für eine neu zu gründente Partei anzutreten? Es wäre kaum verwunderlich, wenn Blum bei den Steinbrück’s bereits auf der „Vorspeisen-Liste“ stehen würde!

Der Publizist, Politiker (CDU) und Ex-Staatssekretär unter Walter Wallmann, Dr. Alexander Gauland (CDU) setzt sich mit seinem Plädoyer für eine Rückkehr zur preußischen Kriegsdoktrin ein.

Prof. Dr. Martin Leschke besetzt den Lehrstuhl für Institutionenökonomik der Universität Bayreuth und gab zusammen mit dem Wirtschafts-Ethiker Prof. Ingo Pies eine Buchreihe über die Vordenker des Marktradikalismus Buchanan, Hayek, Mises und Friedman heraus.

Prof. Peter O. Oberender hat sich der Gesundheits-Ökonomie verschrieben und gilt u.a. als Befürworter eines kommerziellen Organhandels unter klar definierten Rahmenbedingungen und wird dafür bis hin zu Faschismusvorwürfen kritisiert, insbesondere wegen seiner Äußerungen mit Blick auf Bezieher von Hartz IV-Leistungen:

„Wenn jemand existenziell bedroht ist, sollte er die Möglichkeit haben, sich und seine Familie durch den Verkauf von Organen zu finanzieren.“

Wer wie Oberender den Organhandel völlig freigeben will, damit sich zahlungkräftige Kunden bedienen können, hat seine persönliche Rampe geschaffen.
Er selektiert die Menschen in verkaufbar und nicht verkaufbar und er macht das bewußt. Solche Überzeugungen grenzen an einer unmenschlichen geistigen Haltung! Es dürfte wohl kaum überraschen, dass Oberender auch im illustren Kreis des INSM verortet wird.
Wer sich einen solchen Unterstützer als Politiker vorstellen kann, könnte, wie auch Oberender selbst, an politischer Imbezillität im Endstadium leiden!

Gerd Robanus – Bundesvorstand der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, dem unternehmerfreundlichen und konservativen Flügel der Unionsparteien, der wegen der Hilfen für Griechenland seine Aktivitäten in der CDU ruhen lässt, gehört last but not least ebenfalls zu den Initiatoren dieser doch recht seltsam wirkenden Organisation.

Nachtrag: Herr Prof. Dr. Wilhelm Hankel gehört entgegen mancher Pressemeldungen NICHT zum Unterstützer-Kreis dieser in Teilen recht seltsam anmutenden Organisation!

 

Bei Bedarf wird diese illustre Liste, die schon bisher zu einiger Verwunderung bei den geneigten Leser/Innen führen dürfte, fortgesetzt!

 

Ihr Oeconomicus

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Ergänzende Informationen zur Ökonometrie

Die methodologische Kritik von J. M. Keynes (1939) an den ersten Versuch zur numerischen Konkretisierung gesamtwirtschaftlicher Konjunkturmodelle durch J. Tinbergen hat im wesentlichen die immer noch aktuellen Diskussionen über die Grenzen und Möglichkeiten des Einsatzes ökonometrischer Modelle eröffnet. Die bereits damals vorgebrachten Argumente werden auch heute immer wieder benutzt, um Vorbehalte gegenüber dem ökonometrischen Modellbau und dem Einsatz ökonometrischer Modelle bei der Vorbereitung wirtschafts- und sozialpolitischer Entscheidungen anzubringen.

Stark vereinfacht ausgedrückt, geht die Ökonometrie davon aus, dass zu jedem Zeitpunkt der Apfel immer in gleicher Weise vom Baum fällt.

„Die Ordnung der Wirtschaft – Zur Rolle der Ökonometrie in der wissenschaftlichen Politikberatung“ – FAZ, 28.10.2012

Literaturempfehlung: „Einführung in die Ökonometrie“ von Prof. Dr. Peter Hackl

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