Journalisten auf Schmusekurs mit der Kanzlerin

Die von Großbritannien losgetretene Europa-Debatte zeigt: In vielen Redaktionen passen sich die Journalisten derart geschmeidig an Merkels Windungen und Wendungen an, dass es schon peinlich wird.

In seiner Kolumne auf Spiegel-Online hat sich Jan Fleischhauer über die “Super-Journalisten” lustig gemacht, die vor der Niedersachen-Wahl völlig falsch lagen – danach aber so taten, als hätten sie alles kommen sehen.

Vielleicht sollte sich Fleischhauer auch mal die Kanzler- und Europaexperten in den Redaktionen vornehmen. Die passen sich nämlich derart geschmeidig an Angela Merkels Windungen und Wendungen an, dass es schon peinlich wird.

Die Rede des britischen Premierministers David lieferte dafür das jüngste Beispiel. Von „Bild“ bis „Welt“ und von “SPON” bis „SZ” heißt es, ganz Europa verurteile Camerons Kurs. Dann erfährt man plötzlich, im Kleingedruckten, dass Merkel den Briten keineswegs kritisiert.

Doch die Geschichte wird nicht etwa korrigiert, im Gegenteil: Dass Merkel auf Schmusekurs zu Cameron geht, wird plötzlich als intelligente Taktik präsentiert. “Merkel löscht, wo Cameron zündelt”, dichtet die “SZ”.

Ja wo löscht sie denn? Sie macht sich einen Teil der britischen Forderungen zu Eigen, versucht aber mit keinem Wort, den Schaden zu begrenzen, den Cameron und seine Torys anrichten. Ist das wirklich im deutschen Interesse?

Doch niemand stellt diese Frage, weder bei der “SZ”, noch sonstwo. Unsere Europaexperten und Merkel- Watcher vollziehen einfach die jüngste Wendung der Kanzlerin nach. Motto: Merkel hat immer recht – und ich auch, wenn ich ihr folge.

Diese Haltung steht in auffälligem Widerspruch zu der Krittelei, die sich unsere “Super-Journalisten” bei Peer Steinbrück, aber auch bei Barack Obama, François Hollande und vielen anderen angewöhnt haben. Kein Wunder, dass Merkel so gut dasteht…

GEOLITICO-Autor Eric Bonse verfolgt seit 2004 Höhen und Tiefen der Europapolitik aus Brüssel – zunächst für das “Handelsblatt”, dann als freier Journalist. Zuvor war er als Reporter in Paris und lernte die französische Sicht auf Europa und die Welt kennen. Auf seinem Blog “Lost in EUrope” analysiert er täglich die EU-Politik und die Eurokrise. Weitere Artikel finden sich hier.

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Über Eric Bonse

Weltbürger und überzeugter Europäer aus Düsseldorf, ging 1996 als Journalist nach Paris und beobachtet seit 2004 das Raumschiff Brüssel. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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