Warum wir trotz Rekord-Steuereinnahmen Maut zahlen sollen

Obwohl die Steuereinnahmen des Staates noch nie so hoch waren, planen Verkehrsminister die Innenstadtmaut. Angeblich sind marode Straßen und Brücken schuld. Aber die Wahrheit ist eine andere.

Diese Grafik der KfW-Gruppe zeigt die Wirkung der Konjunkturpakete nach 2008 Diese Grafik der KfW-Gruppe zeigt die Wirkung der Konjunkturpakete nach 2008

Manchmal fragt man sich, ob pure Hilflosigkeit dahintersteckt, betrügerische Absicht oder doch nur schlichte Dummheit. Als in dieser Woche die Verkehrsminister der Länder in Cottbus die Köpfe zusammensteckten, heckten sie die Idee einer Innenstadtmaut aus. Zwar ist sie noch nicht beschlossen. Das will aber nichts heißen, denn unter allen Beteiligten sind die Sympathien dafür groß. Und alle bemühen sich, die Notwendigkeit damit zu begründen, dass Deutschland ein armes Land sei mit holprigen Straßen, zerfallenen Brücken, kurz einer desolaten Infrastruktur. Gemessen an ihren Aussagen ist Deutschland verkehrspolitisch gewissermaßen Entwicklungsland. Darum soll jeder Autofahrer künftig jedes Mal 6,10 Euro zahlen müssen, wenn er in die Stadt fährt. Rechnen wir die Parkgebühren drauf, macht jeder Stadtbesuch mit dem Auto rund zehn Euro. Soviel erst einmal dazu.

Wenige Tage vor der Verkehrsministerkonferenz gab es eine Meldung des Deutschen Instituts für Wirtschafsforschung (DIW). Darin hieß es, Bund, Länder und Gemeinden werden dieses Jahr erstmals über 600 Milliarden Euro Steuern einnehmen. Das ist ein Rekord. „Mit 601,5 Milliarden Euro dürften die Steuereinnahmen fünf Milliarden Euro höher ausfallen, als bei der letzten Schätzung im Mai vorhergesagt“, sagte DIW-Expertin Kristina van Deuverden, langjähriges Mitglied im „Arbeitskreis Steuerschätzungen“ dem „Handelsblatt“. Nicht einmal ein Abflauen der Konjunktur im kommenden Jahr könne den Höhenflug stoppen. Vielmehr würden die Steuereinahmen 2013 nochmals auf sogar 620 Milliarden Euro steigen.

Trotzdem sollen die Autofahrer jetzt noch mehr Abgaben zahlen. Dabei haben Länder, Städte und Gemeinden nach der Weltwirtschaftskrise 2008 in zwei Konjunkturpaketen Milliarden-Subventionen für die Reparatur der Verkehrsinfrastruktur bekommen. Im ersten Paket erhielten finanzschwache Kommunen drei Milliarden Euro zusätzlich für Investitionen. Im zweiten Paket Ende 2008 gab es dann 40 Milliarden Euro für Straßen und Schulen.

Angeblich blieben diese Finanzspritzen nicht wirkungslos. In einer Studie stellt die KfW-Bankengruppe fest:

 „Die Ergebnisse des KfW Kommunalpanels verdeutlichen, dass etwa jeder sechste Euro, der in deutschen Kommunen in den Jahren 2009 und 2010 investiert wurde, aus den Mitteln der Konjunkturpakete stammt. Insgesamt wurden über die zwei Wirkungsjahre der Konjunkturpakte hinweg in den Kommunen durchschnittlich 100 EUR pro Einwohner aus Konjunkturmitteln investiert. Stellt man dies den durchschnittlichen Pro-Kopf-Investitionen aus dem Jahr 2010 von etwa 520 EUR in Westdeutschland und etwas mehr als 380 EUR in Ostdeutschland gegenüber, wird deutlich, dass die finanziellen Mittel der Konjunkturpakete eine wesentliche Rolle bei den kommunalen Investitionen der Jahre 2009 und 2010 spielten.“

Obwohl die Steuereinnahmen überquellen und Milliarden in die Reparatur der Verkehrsinfrastruktur gesteckt wurden, soll dieses Land kein Geld für Wege, Straßen und Brücken haben? Ein Land, dessen Bürger Steuern in die Staatssäckel pumpen, das es nur so kracht. Alleine die Autofahrer brachten dem Fiskus im Jahr 2008 fast neun Milliarden Euro Kfz-Steuer ein.

Die Wahrheit ist, die Innenstadtmaut ist vermutlich die erste von vielen weiteren Maßnahmen die kommen werden, um die horrenden Schulden der europäischen Finanzkrise abzahlen zu können. Deutschland ist Verpflichtungen in Billionenhöhe eingegangen, die irgendwann wenigstens zum Teil fällig werden. Und als Lösung fällt den Politikern nur das ein, was sie seit Jahren praktizieren: Sie schröpfen den Bürger. Den wahren Hintergrund aber verschweigen sie ihm. Sie machen es wie in Griechenland, Portugal und Spanien. Sie nehmen es von denen, die zu geben bereit sind. Und sie denken nicht darüber nach, wie viel die Menschen überhaupt noch tragen können.

Wie gesagt, manchmal fragt man sich, ob pure Hilflosigkeit dahintersteckt, betrügerische Absicht oder doch nur schlichte Dummheit.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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