EU-Außenminister zementieren die Zukunft Europas

Gemeinsam streben sie in die politische Union. Sie wollen "wirksame Überwachungsinstrumente" zur Kontrolle der der Nationalstaaten, und die EU als starken machtpolitischen Akteur in der Welt etablieren. Nur mehr Demokratie wollen sie nicht.

Übertönt vom Lärm zweitrangiger politischer Debatten wachsen die Länder der Eurozone still und leise politisch enger zusammen. Den Weg weist ein gemeinsames Papier der Außenminister Deutschlands, Belgiens, Dänemarks, Frankreichs, Italien, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens. Darin sprechen sie sich für eine politische Union aus. Zur Überwindung der Krise müssten mehr nationale Kompetenzen nach Brüssel übertragen werden, behauptet die „Zukunftsgruppe“, die übrigens von Außenminister Guido Westerwelle einberufen wurde.

Ausgerechnet Westerwelle, dessen FDP noch vor gar nicht langer Zeit Grundsätze zum Erhalt nationaler Souveränität verabschiedet hat. „Wir wollen ein föderales Europa und keinen Zentralismus. Wir wollen ein Europa des Wettbewerbs und keine bürokratische Gleichmacherei“, heißt es im Beschluss des Bundesparteitages vom Mai 2011 in Rostock, an den Westerwelle sich entweder nicht mehr erinnert oder nicht mehr gebunden fühlt.  Aber das nur am Rande.

Denn was die Außenminister da planen, hat es in sich. „Wir glauben, dass wir nach der Überwindung der Eurokrise auch die Funktionsweise der Europäischen Union insgesamt verbessern müssen“, schreiben die Minister in ihrem Abschlussbericht. „Wir müssen den grundlegenden Konstruktionsfehler der WWU – Währungsunion ohne Wirtschaftsunion – beheben.“

Sie verlangen „wirksame Überwachungsbefugnisse mit konkreten Kompetenzen für die europäischen Institutionen zur Überwachung und Umsetzung der fiskalpolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten“. Das heißt nichts anderes, als dass Brüssel ein Veto gegen nationale Haushalte einlegen kann. Außerdem sie „die Schaffung weiterer europäischer Solidaritätsmechanismen“ notwendig. Wörtlich schreiben sie: „Einige Mitglieder der Gruppe regten Schritte hin zur Vergemeinschaftung von Staatsschulden an.“ Auch wenn es nur angedeutet wird, gemeint sind damit die Bankenunion, in der etwa die deutschen Steuerzahler auch für die griechischen oder italienischen Spareinlagen haften, und sicherlich auch die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank.

Ihr Ziel ist, daran lassen sie keinen Zweifel, ein zentralistisch regiertes Europa, in dem sich die Macht mehr und mehr dem demokratischen Zugriff entzieht: „Die Kommission sollte gestärkt werden, damit sie ihre Rolle als Motor der Gemeinschaftsmethode in vollem Umfang und wirksam ausfüllen kann.“ Die Kommission ist bereits heute Ausdruck des zutiefst undemokratischen Systems Europäische Union. Die Kommissare herrschen nach Gutsherrenart und sind keinem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig. Diese Willkür-Herrschaft wollen die Außenminister also sogar noch ausbauen.

„Eine Möglichkeit wäre die Schaffung spezifischer Gruppen mit „Senior“- und „Junior“-Kommissaren“, schreiben sie. Der Allgemeine Rat soll ebenfalls mehr Macht bekommen, was nichts anderes heißt, als dass das Volk um sein Recht betrogen wird. Gleichzeitig wird ihm vorgegaukelt, die Ernennung europäischer Spitzenkandidaten durch die Fraktionen des einflusslosen EU-Parlaments bedeute ein Mehr an Demokratie.

Welche Rolle dieses neue Europa künftig in der Welt spielen soll, auch darüber ist sich die „Zukunftsgruppe“ bereits einig. Zur Machtpolitik schreiben die Außenminister:

„Sobald die Eurokrise überwunden ist, müssen wir auch die allgemeine Funktionsweise der Europäischen Union verbessern. Die EU muss insbesondere entschlossene Schritte unternehmen, um ein stärkerer Akteur auf der Weltbühne zu werden. Diese Aufgabe sollte außerhalb und getrennt von der Reform der WWU angegangen werden. Einige dieser Maßnahmen könnten auf der Grundlage der bestehenden Verträge umgesetzt werden, möglicherweise sogar kurzfristig, während andere langfristig nur durch Vertragsänderungen auf Basis eines Konvents in Angriff genommen werden könnten.“

Wer immer noch nicht glauben will, dass all das konkrete politische Ziele sind, dass es den Politikern Ernst damit ist, dem könnte vielleicht ein letzter Hinweis die Augen öffnen. In einem gemeinsamen Brief haben Westerwelle und sein polnischer Amtskollege Radek Sikorski am 17. September 2012 in der New York Times die politischen Ziele Europas aufgezeigt. Selbstverständlich haben sie nicht ohne Grund die New York Times gewählt. Wer so etwas tut, der will der Wall Street und Washington ein klares Signal geben. „Unser Hauptziel ist es, der Europäischen Union die Schlagkraft zu geben, die sie verdient“, verkünden die beiden. Dann zählen sie einige der Punkte auf, die sie in ihrem Papier beschlossen haben, darunter ist etwa die Direktwahl des Kommissionspräsidenten oder auch die Institutionalisierung des Ministerrates als zweite  Kammer.

Europa ist längst auf dem Weg in eine neue Epoche. Leider straft die Öffentlichkeit diesen historischen Wandel mit fast schon pathologischer Missachtung. Das ist nicht nur leichtsinnig, sondern außerordentlich gefährlich. Denn hinterher wird kein Bürger seine Tatenlosigkeit damit entschuldigen können, er habe doch von all dem  nichts gewusst.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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