Die Feinde der Bettina Wulff

Die Geschichte der Bettina Wulff ist die einer Verleumdung. Unter der oberflächlichen Betrachtung von haltlosen Anschuldigungen und juristisch erzwungenen Unterlassungserklärungen aber liegt noch eine weitere Geschichte verborgen. Sie erzählt von einem durch Karrierismus, Abhängigkeiten, Missgunst, Neid und Rachsucht durchtriebenen Milieu. Sie erzählt vom unheilvollen Miteinander von Politik und Medien und davon, dass die so genannte feine Gesellschaft aus allzu vielen dunklen Charakteren besteht.

Für alle, die es tatsächlich noch nicht wissen sollten: Die Frau des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff hat beim Hamburger Landgericht Klagen gegen den Fernsehmoderator Günther Jauch und gegen den Google-Konzern eingereicht, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Die Zeitschrift „Stern“ und die „Berliner Zeitung“ sollen Unterlassungserklärungen abgegeben haben. Nach anfänglicher Weigerung habe Günther Jauch sich daraufhin verpflichtet, keine Gerüchte mehr über Bettina Wulffs angebliche Rotlicht-Vergangenheit zu verbreiten.

Am 18. Dezember 2011 hatte Jauch in seiner ARD-Talkshow auf einen Bericht der „Berliner Zeitung“ hingewiesen, in dem der „Bild“-Zeitung unterstellt wurde: „Angeblich verfügt die Redaktion über Informationen, die bisher auf Weisung von ganz oben nicht gedruckt werden dürfen. Aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten.“ Jauch sagte daraufhin in der Sendung: „Jetzt fragt sich jeder, ob da noch mehr kommt.“

Aufgetaucht seien die Gerüchte über eine angebliche Rotlichtvergangenheit Bettina Wulffs erstmals im Jahr 2006, schreibt die Süddeutsche Zeitung. CDU-Kreise hätten die Gerüchte gestreut. Anfangs blieben sie wohl in Hannover, mit dem Bekanntwerden von Christian Wulffs Kandidatur für die Wahl des Bundespräsidenten, fanden sie ihren Weg auch nach Berlin.

„Noch in der Nacht nach der Bundesversammlung, auf der Wulff zum Präsidenten gewählt worden war, sahen sich Journalisten wie Ulrich Deppendorf, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios Berlin von CDU-Politikern angegangen“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Ihnen sei empfohlen worden, doch mal in Internet nachzulesen, was dort über die First Lady stehe.

„Ein Justiziar der ARD wurde bei einem Empfang in Berlin von einem Gegner Wulffs aus den Reihen der CDU auf die Internetberichte aufmerksam gemacht. Da sei was dran. Und ein mit den Verhältnisse der CDU vertrauter Nachrichtenredakteur eines hochseriösen Blattes schrieb damals über das Tattoo von Bettina Wulff: ,Selbst wenn der Bundespräsident es cool findet, es bleibt ein Import aus der Unterwelt’.“

Monatelang waberten die Gerüchte durch beste Berliner Kreise. Politiker, Geschäftsleute und Journalisten gaben sie in trauten Runden zum Besten. Belege gab es keine, nur einige fragwürdige Fotos im Internet, die freilich alle kannten.

Allerdings ging es jene, die diese Gerüchte verbreiteten und weitertrugen gar nicht um Bettina Wulff, sondern um den Bundespräsidenten. Da war einer in das höchste Amt des Staates aufgestiegen, dem sie diese Karriere nicht nur nicht gönnten. Und sie wollten sich partout nicht damit abfinden, dass dieser aus kleinsten Verhältnissen stammende und mit zahlreichen Vorwürfen der Vorteilsnahme konfrontierte Christian Wulff Bundespräsident bleiben sollte.

Da die Recherchen wegen angeblich nicht bezahlter Reisen lange Zeit wohl nicht den gewünschten Erfolg brachten, mussten immer wieder die Gerüchte herhalten. Selbstverständlich geschah dies stets „streng vertraulich“. Schließlich wissen Politiker nur zu genau, wie sensibel Journalisten auf „vertrauliche“ Informationen reagieren bzw. wie erfolgreich derart gezielte Agitation sein kann.

Es gibt nämlich keine wirklich Vertraulichkeit zwischen Politikern und Journalisten. Sie ist Teil eines Rollenspiels, in dem der eine dem anderen vorgeblich unter dem Siegel der Verschwiegenheit etwas zuträgt. Dabei hofft er, das Gesagte werde durch die exklusive Behandlung wie unter Drogeneinfluss eine stark potenzierte Wirkung entfalten. Am ehesten handelt es sich dabei um eine besondere Form der Kumpanei mit dem Ziel, Konkurrenten zu übertölpeln.

Jedenfalls ging die Rechnung der verbreitenden Quellen auf, denn die Journalisten trugen „das böse Geheimnis“ in die Redaktionen. Ihre scheinheilige Neugier wurde noch dazu kongenial vom Internet „bestätigt“.

Denn auch dorthin hatten Politiker das Thema getragen. Ausgerechnet ein Blog mit dem Titel „wahrheiten.org“ brachte die Gerüchte. Nichts daran war recherchiert, nichts kritisch hinterfragt. Offenbar berauscht von der Fantasie, einen staatstragenden Schmuddel-Skandal am Wickel zu haben, schmierten dann auch andere den Dreck auf ihre Seiten und besudelten so den aufklärerischen Geist jener großen Internetgemeinde, die sich in mühevoller Kleinarbeit und im Namen von Demokratie und Freiheit um die Kontrolle der Politik bemüht.

Die Schmierfinken im Netz und der Suchmaschinen-Riese „Google“ prostituierten sich als willfährige Zuträger für ein mieses politisches Spiel mit haltlosen Anschuldigungen. Und Sie bedienten die Gelüste der sabbernden Voyeuristen auch in den Redaktionsstuben, Abgeordnetenbüros und Vorstandszimmern.

Sie machten sich gemein mit jenen sinistren CDU-Funktionären, die laut „Süddeutscher Zeitung“ die Gerüchte streuten. Die eigenen Leute waren es! Und das nur, weil sie Christian Wulff den Aufstieg neideten, vielleicht weil sie ihm seinen neuen, durch Ehefrau Bettina geprägten aufwändigeren Lebensstil ebenso wenig gönnten wie sein gutes Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel. Möglicherweise hatte er auch jemandem etwas versprochen und dieses Versprechen nicht gehalten.

Was immer die Motivation gewesen sein mag, sie zeugt von einem schmutzigen Charakter, weil der rachsüchtige, hasserfüllte Zweck die Wahl der Mittel heiligte. Dass Bettina Wulff daran hätte zerbrechen können, wurde ebenso in Kauf genommen wie mögliche irreparable Schäden für die Kinder sowie Belastungen für Ehe, Familie und Freundeskreis.

Es war ein feiger Angriff, vorgetragen von politischen Zwergen, die sich bewusst waren, dass sie Wulff nur hinterrücks durch falsche Anschuldigungen würden meucheln können. Wie viele solche heimtückischer Zwerge es in dem politisch-medialen Milieu der Hauptstadt gibt, zeigt die Tatsache, dass sich die Gerüchte über Jahre halten konnten und es am Ende gar an einem Sonntagabend in die beliebteste deutsche Talk-Show brachten. Verglichen mit diesem Milieu ist ein Rotlichtbezirk geradezu ein Ort tugendhafter Aufrichtigkeit.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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