Die unglaubliche 15-Billionen-Dollar-Verschwörung

Lord James Blackheath bei seiner Rede im britischen Oberhaus

Die Story hat das Potenzial zu einem Thriller aus der Feder von John Le Carré. Sie handelt von geheimen Missionen um einen Billionen-Deal, in den offenbar mächtige Regierungen verstrickt sein könnten. Und ebenso wenig wie bei Le Carré ist am Ende klar, was an der Geschichte nun Fiktion und was Wahrheit ist. Vorstellbar ist alles.

Es geht um einen Fall, den Lord James of Blackheath, nach Angaben des britischen Guardian, ein angesehener Industrieller und früherer Berater der Konservativen, in diesem Monat im britischen Oberhaus, dem House of Lords, zum Besten gab und der Seite des britischen Parlamentes auf Video festgehalten wurde. Darin spricht der Lord über eine angebliche Zahlung der unvorstellbaren Summe von 15 Billionen US-Dollar an britische Banken. Zum Vergleich: Der Euro-Rettungsfonds ESM soll nach neuesten Plänen ein Volumen von 700 Milliarden bis zu einer Billion Euro haben.

„Ich glaube, es sind drei Schlussfolgerungen möglich“, sagt der Lord im Oberhaus. „Es könnte sich um eine massive Geldwäscheaktion einer großen Regierung handeln, die darüber selbst besser Bescheid wissen müsste und die dabei die Integrität der britischen Bank, der Royal Bank of Scotland, untergraben hat.“

Als zweite Alternative nennt er „ein wichtiges amerikanisches Ministerium“, das über eine Agentur verfüge, die in dieser Angelegenheit kriminell handelte und versucht haben könnte, mindestens 50 Milliarden Euro zu ergaunern.

„Und die dritte Möglichkeit ist, dass es sich um einen außergewöhnlich aufwendig eingefädelten Betrug handelt, der zwar nicht ausgeführt, jedoch vorbereitet wurde, um eine oder mehrere Regierungen zu erpressen“, so Lord Blackheath. Es gebe somit drei Möglichkeiten, die allesamt schnellstens genauer untersucht werden müssten.

Beweise für den Skandal

Er werde im Laufe seiner Rede Beweise vorlegen, „die Ihnen hoffentlich Grund dazu geben, meine Forderung nach einer offiziellen Untersuchung dieses Missstandes zu unterstützen, den ich Ihnen an diesem Nachmittag offenlegen will.“ Seit zwei Jahren sei er an der Sache dran, sagt er. „Und doch bin ich der Wahrheit kein Stückchen näher gekommen.“

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Lord James of Blackheath ist ein in Großbritannien durchaus bekannter und renommierter britischer Geschäftsmann. Ihm wird die Rettung des Millennium Dome zugeschrieben, dessen Finanzen zu Beginn des Jahrhunderts ins Schleudern geraten waren. Seit 2006 ist er Mitglied im Oberhaus – auf Nominierung der Konservativen. Seither trägt er den Titel Lord James of Blackheath.

Der Guardian schreibt, Lord Blackheath habe sich in der Vergangenheit im Kampf gegen Geldwäsche und Terror-Finanzierung engagiert. Andere nennen ihn ein lebendes Kuriosum, verliebt in Mega-Zahlen. Mit dieser Geschichte, die er nun im Oberhaus erzählt,  aber macht er alle ratlos.

Welche Geschichte hat das Geld?

„Meine Lordschaft, die Geschichte begann im April und Mai des Jahres 2009“, fährt Blackheath fort. Damals seien fünf Billionen Dollar auf die Konten der Bank HSBC in das Vereinigte Königreich transferiert worden. Sieben Tage später sei eine zweite Charge mit ebenfalls fünf  Billionen Dollar, und nach drei Wochen eine weitere Charge mit 5 Billionen Dollar überwiesen worden. „Eine Gesamtsumme von 15 Billionen Dollar floss also durch die Hände der HSBC zur Royal Bank of Scotland. Und wir müssen nun nachsehen, woher das Geld gekommen ist, und welche Geschichte das Geld hat. Ich versuche seit langem  herauszufinden, was sich der Reihe nach ereignete und woher dieses Geld stammt“, sagt Lord Blackheath.

Was er nun mitteilt, katapultiert die Geschichte anscheinend ganz und gar ins Fantastische. Am Anfang, so der Lord, sei das Geld Eigentum eines Mannes namens Johannes Riyadi gewesen. Riyadi entstamme einer Dynastie indo-chinesischer Kaiser. „Manche behaupten, er wäre der reichste Mann der Welt. Nun, das wäre er wohl, wenn das ganze Geld, das ihm geschuldet wird, auch bezahlt worden wäre“, sagt Blackheath. Allerdings habe er Konten-Belege des Mannes gesehen, die ein Guthaben von 36 Billionen Dollar auswiesen.

Für diese Dollar hätten sich auch die USA interessiert. Ein großer Teil von Riyadis Barvermögen sei mit dessen Einverständnis über die Jahre hinweg vom amerikanischen Schatzamt zur Stützung der US-Währung eingesetzt worden.

Dann zieht der Lord ein angebliches Beweismittel aus den Papieren, die er während seiner Rede immer wieder einmal aus der Hand legt. Dieses Original sei ihm von Riyadi ausgehändigt worden. Blackheath spricht von einem „wirklich bemerkenswerten Dokument, datiert auf den 2. Februar 2006, in dem die amerikanische Regierung sich auf Treffen mit der Federal Reserve Bank of New York beziehe. Das Dokument sei vom früheren Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, im Namen der Federal Reserve Bank of New York und der Federal Reserve Bank in Washington unterzeichnet. Außerdem hätten es der heutige US-Finanzminister Timothy Geithner und ein Herr namens Yusuke Horiguchi für den Internationalen Währungsfonds unterschrieben. Geithner und Horiguchi sollten mit ihren Unterschriften bestätigen, dass es sich um ein ordnungsgemäßes Geschäft handelte, erläutert der Lord.

Ein riesiger Betrug

Mit dem Vertrag sei die Federal Reserve Bank von New York dazu veranlasst worden, Anleihen aufzukaufen, die in den zehn Jahren zuvor an Riyadi ausgestellt worden waren. Nun sollte er das Geld zurückbekommen. Angeblich hatte Riyadi bei der Übergabe der Anleihen durch das US-Schatzamt auch sämtliche Sicherheiten für die angeblich investierten 15 Billionen abgetreten. „Sie gaben ihm 500 Millionen Dollar in bar für wertlose Anleihen“, sagt der Lord, der nun wiederum in seinem Papierstapel herumfingert und einen weiteren Zettel in Händen hält.

„ Jetzt habe ich hier einen Brief der Bank von Indonesien. Danach ist die ganze Sache ein einziger Betrug“, sagt Blackheath. „Zu guter Letzt habe ich hier ein persönliches Schreiben von Herrn Riyadi selbst, der angibt, dass er gezwungen worden sei, bei der Sache mitzumachen.“ Angeblich sei Riyadi dabei all seines Geldes beraubt worden.

Lord Blackheath glaubt den Weg des Geldes zu kennen. Demnach ist es vom Riyaldi-Konto zur Federal Reserve Bank of New York transferiert worden und von dort über die JP Morgan Chase of New York nach London geflossen. Übermittelt worden seien die Beträge per SWIFT-Note, die bei der Bank of England registriert sein muss.

Nachdem er den Sachverhalt zum ersten Mal hörte, habe er seinen Freund Lord Strathclyde um Rat gefragt. Dieser habe ihn an Lord Sassoon verwiesen, da der mit dem Schatzamt zu tun habe. Lord Sassoon aber habe sofort gesagt: „Das ist Müll. Es ist viel zuviel Geld, es würde auffallen wie ein bunter Hund, und du kannst es nirgendwo in den Bilanzen der Bank of Scotland sehen.“

Wo bleibt der Scheck der Bank of Scotland?

„Aber heute habe ich dieses Stück Papier“, sagt Lord Blackheath. Und deshalb halte er es für gerechtfertigt, die Sache im House of Lords zur Sprache zu bringen. Schließlich sei es ein Papier aus dem Wirtschaftsprüfungsbüro der „richtigen Federal Reserve Bank in Washington“. Blackheath: „Es ist der Buchprüfungsbericht von Ende Juli 2010 über die Federal Reserve Bank of New York. In dem Bericht sind ungefähr 20 Banken mit ausstehenden Krediten in Höhe von 16,115 Billionen Dollar haben. Meine Lordschaft, das ist der bunte Hund, den Lord Sassoon vergeblich suchte.“

Folgende Aspekte der Geschichte seien von besonderer Bedeutung: „Der erste ist, dass die Barclays Bank 868 Milliarden Kredite erhalten hat, die Royal Bank of Scotland bekam 541 Milliarden. Wir sollten sie mal fragen, auf welche Weise sie in nur drei Wochen so viel Geld verdienten, dass sie ihre ganzen Schulden an den britischen Steuerzahler auf einen Schlag hätten zurückzahlen können. Wir sollten sie fragen, warum sie das nicht getan haben. Und wir sollten bitten, doch nun einen Scheck über die ausstehenden 46 Milliarden in die Post zu geben.“

Auffällig sei auch, dass es sich bei allen Banken auf der Liste der Federal Reserve Bank of New York um MTN-registrierte Banken handelt. „Das bedeutet, dass sie untereinander mittelfristige Kreditbriefe mit einer gemeinsam vereinbarten Gewinnformel untereinander hin- und herschieben dürfen. Außergewöhnlich ist dabei, dass die Federal Reserve Bank keinen Pfennig an Zinsen auf den gigantischen Betrag von 16 Billionen bezahlt haben will“, sagt der Lord.

Affäre auf einem Datenstick

Jeder, der mit den Regeln des IWF vertraut sei, „riecht den Braten“. Denn der IWF habe sehr strikte Regeln bei der Validierung von Geld fragwürdiger Herkunft. „Man kann es auf zwei Arten machen“, so Blackheath. „Entweder fließt das Geld über eine wichtige Zentralbank wie die Bank of England, die aber damit offenbar nicht in Berührung kommen wollte. Oder man überweist das Geld an eine MTN-Handelsbank, die es dann auf dem Europäischen MTN-Markt platzieren und so pro Nacht ein bis 2,5 Prozent Profit einstreichen kann.“ Der Zinseszins für solche Geschäfte sei enorm.

„So, meine Lordschaften“, endet Blackheath. „Ich halte das für so eine wichtige Angelegenheit, dass ich alle Daten bezüglich dieser Affäre auf einen Datenstick geladen habe. Es sind 104 Megabyte. Ich möchte die Regierung auffordern, ein geeignetes Untersuchungsbüro zu beauftragen, um die Wahrheit herauszufinden.“

Was immer mögliche Ermittler herausfinden – eines steht schon jetzt fest: Lord Blackheath ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Und nicht alle seine Geschichten müssen frei erfunden sein.

Günther Lachmann am 24. Februar 2012 für Welt Online

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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